Mittwoch, 20. September 2017

[Anthologie #Insekten] (13) Der Bienenroman von Georg Rendl

das Cover ist aus Papier und recht schmucklos
Charme vergangener Zeiten

Roman, 184 Seiten
Verlag Karl Alber, München, 1944;
Neuauflage Otto Müller, 1996 
Genre: Naturroman
ISBN: 978-3701309320

hier das Buch bei Amazon

Woher: Verschenkt vom Biohofladen Schwalbenhof; gelesen im Rahmen der Insekten-Rezensionsanthologie



Erster Satz

Die Göttin Sonne will fern sein dem Werke, das sie liebt.


Zusammenfassung



Georg Rendl erzählt in poetischer Weise vom Leben eines Bienenvolkes im Lauf des Jahres.





Persönlicher Eindruck


Ich habe hier die 3. Auflage von 1944 gelesen; geschrieben hatte Georg Rendl seinen Roman im Jahre 1931. Das Buch macht schon äußerlich einen antiquarischen Eindruck, so dass man leicht das Vorurteil fassen könnte, es sei veraltet. Doch mitnichten. Auch heute noch ist der Roman aktuell. Wie der Autor im Nachwort erwähnt, basiert der Bienenroman auf eigenen, jahrelangen Beobachtungen.  Das Besondere ist, dass der Autor die genaue Beobachtung mit einem poetischen Ansatz verbindet.

Wir starten mit dem Bienenvolk mitten im Winter. Während die Welt wie erstarrt ist, halten die Bienen, in einer dichten Traube hängend, die Temperatur, wärmen die Königin und ernähren sich vom Honig. Weiter erzählt Rendl durch die Jahreszeiten, dem Frühjahr, den Schwarmflügen, den abspaltenden Tochtervölkern und den Herbst. Eine Besonderheit ist auch, dass das Bienenvolk unberührt von menschlichen Eingriffen lebt, es ist ein frei lebendes Honigbienenvolk. Es treten auch keine Menschen im Buch auf, es wird rein von der Natur und den Honigbienen berichtet.

Der Stil ist veraltet - so wie Rendl schreibt heute keiner mehr. Die Geschehnisse des Bienenvolkes beschreibt er genau und gefühlig. Der Autor schreibt in kurzen Absätzen und bedient sich einer abwechslungsreichen Grammatik und eines großen Wortschatzes, z.B. Bang und unruhig ist das Wild. Geängstet warten die Rehe im Gehege, S. 32.
Als eine Art Zwischenspiel sind kurze Ausrufe oder rethorische Fragen eingestreut, die mit einem gewissen Pathos daherkommen und manchmal unfreiwillig komisch wirken, wie  
Kommt doch, ihr kleinen geflügelten Engel! Ihr Bienen, kommt doch! Laßt unseren wartenden Leib nicht taub bleiben!, S. 71. oder  
O reicher Segen des frühen Lenzes! Mit jedem neuen Tage schwellen die Knospen schlaftrunkener Pflanzen. Der Arbeit wird zu viel! Bienenjugend, komme!, S. 64
Und dennoch: Seine entworfenen Bilder sind sowohl einprägsam, als auch präzise und emotional bedeutsam. Danach hat der Leser wirklich das Gefühl, das Leben in einem Bienenvolk zu kennen.




Lesen oder nicht?


Rendls Stil ist poetisch, dennoch sind seine Beobachtungen präzise und die von ihm heraufbeschworenen, emotionalen Bilder bleiben durch ihre Eindringlichkeit im Gedächtnis. Wer sich für Bienen interessiert, der ist bei diesem Buch bestens aufgehoben; ich würde es als einen Klassiker in diesem Bereich bezeichnen.


3 Zitate

Von den entlegensten Bezirken ihres Stockes holen sie das Baumharz.
Aber nicht nur das Loch zu vermauern, wenden sie an das Kneten und Bringen so viele Mühe, nicht nur der kalten Luft zu wehren, sie wollen auch das Totengerippe der Maus damit überziehen. Denn wenn auch das Gebein bar der letzten Fleischfaser ist, so riecht das bienenfremde Ding doch noch immer widerlich genug, und das Leblose bliebe Feind, solange es nicht den besonderen Volksgeruch der Bienen angenommen hätte.
Die Zehen, die Zähne, die Rippen, den kleinen Kopf, die Knorpel und selbst die zartesten Glieder des Schwanzes umkleiden sie mit dem duftenden Stoffe. [S. 41]

Heimgekommen und über die Waben zum Speicher rennend, tanzen die Geworbenen zuweilen und muntern neue zum Ausfluge, zur Sammelarbeit auf. Aber die meisten haben es eilig, zum Lagerplatz zu kommen. Rasch streifen sie die Pollenhosen in leere oder in schon halbvolle Zellen. Die Hausbienen stampen mit ihren Köpfen das Mehl fest in die kleinen Fässer, und die Feldbienen hasten währenddessen wieder aus der Dämmerung des Stockes in den strahlenden Tag hinaus, um neue Last zu holen. [S. 59]


Räuber! Räuber sind da! Wehrt euch!
Den wenigen Honig zu retten, rennen sie zum Speicher, saugen sich voll.
Aber da sie vollgesogen sind, haben ihre Stachel keine Wucht. Die vom Honig beschwerten sind schlechte Kämpfer. Leicht werden die Raubenden ihrer Herr. [Zufallszitat, S. 168]




Querverweise

Auch in Geschichte der Bienen und Die Bienenhüterin ging es um Bienen, aber das Augenmerk lag mehr auf den Menschen. Dieser Roman ist von allen hier vorgestellten Bücher das, was den Fokus am konsequentesten auf die Biene legt und am meisten Wissen vermittelt, trotz des eher poetischen Schreibstils. Ganz ehrlich - das soll Rendl erst mal einer nachmachen!


Fußnote: Marc von BieVital über Bienenschutz


Marc La Fontaine ist seit seinem neunten Lebensjahr von Bienen fasziniert. Seit 2010 betreibt er eine Berufsimkerei namens BieVital in Karlsruhe-Durlach und bietet imkertechnische Dienstleistungen an. Ich traf Marc Anfang August in seinem Bienengarten, wo er mir einige Völker zeigte und Fragen zu den Bienen und ihrer Haltung beantwortete. Ihr findet den Bericht über den Besuch bei Marc dreigeteilt als Fußnote zu den Romanen Geschichte der Bienen, Die Bienenhüterin und Der Bienenroman.



Im Jahr 1931, dem Jahr als Georg Rendl seinen Bienenroman schrieb, war die Welt zumindest aus Sicht der Natur noch in Ordnung. Gegenwärtig ist die Biene bei uns zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Und nicht nur die Biene. Seit den 90er Jahren gab es ein Insektensterben großen Ausmaßes. Bis zu 70% der Insekten sind verschwunden, verglichen mit den 90er Jahren.

Marc erzählt, dass seine Bienenvölker, wie andere Völker auch, am meisten von Herbiziden, vor allem Neonikotinoiden, bedroht werden. Die Gifte schwächen den kleinen Körper der Bienen und bei geschwächten Bienen hat die Varoamilbe leichtes Spiel. Dass Gift schädlich für Bienen und andere Bestäuber ist, wissen eigentlich alle. Woran es liegt, dass trotz des Wissens um die Gifte immer noch so viel gespritzt wird? Da kann man nur raten. Meiner Meinung nach sind die bäuerlichen Erzeuger im System gefangen und haben aus wirtschaftlichen Gründen oft keine andere Wahl. Dabei bräuchten wir eine regenerative Landwirtschaft ohne Gift. Zurück zum Imker:

Gern würde Marc das Gift von den Bienen fernhalten. Doch da das nicht geht, bleibt ihm nur, die Bienen vom Gift fernzuhalten. Die Bauern der umliegenden Felder spritzen zum Glück keine Bienenweide. Zur Not kann er seine Biene auch einige Tage auf weiter entfernten Gebieten unterbringen. Seine Taktik ging bisher auf, in seinem Honig wurden bei den regelmäßigen, offiziellen Honiganalyse keine Belastung durch Gifte gefunden. Schlussendlich muss sich der Mensch bewusst machen, dass jedes eingesetzte Gift bei der Nahrungserzeugung auch irgendwann den Weg auf unseren Teller findet.
Der zweite große Faktor, der die Honigbienen und ihre wilden Verwandten bedroht, ist der Rückgang an Tracht, also an Blühpflanzen. Bei den Wildbienen kommt noch der Verlust an Lebensraum zur Nestbildung hinzu. In den großen Monokulturen finden die Bienen kaum Nahrung, gerade wenn Windbestäuber wie Weizen angebaut werden. Der Raps ist interessant zu betrachten: Zwar eine Tracht, aber nicht auf die Bienen angewiesen. Dennoch gibt der Raps mehr Ertrag, wenn er von Honigbienen besucht wurde.

Marc mit Bienen und Top Bar
Die Bienen haben viel Honig produziert

Desweitern ärgert Marc die gängige Praxis, dass oft ohne großes Nachdenken gemäht wird, damit es „ordentlich aussieht“. Eine Wiese abzumähen, die gerade in voller Löwenzahnblüte steht und Honig und Pollen für unzählige Insekten liefert, da blutet nicht nur dem Imker das Herz. Oder verblühter Steinklee wird abgemäht, ohne sich darum zu kümmern, dass er oft Kokons von Wildbienen enthält und auch bei genügend Regen nochmal austreiben kann. Blühstreifen werden angelegt und nach einiger Zeit wieder komplett abgemäht. Jeder Wiesenbesitzer sollte solche blühenden Stellen auch einfach mal stehen lassen.
Steinklee
Steinklee

Marc schüttelt etwas frustriert den Kopf. Schon oft hat er bei Anwohnern oder städtischen Stellen versucht, ein Umdenken zu erreichen. Hier geht es ganz konkret um seine wirtschaftliche Existenz, er ist auf Gedeih und Verderben an das Wohlergehen seiner Bienen gekoppelt. Der Kampf für seine Bienen gleicht dennoch oft genug dem Kampf gegen Windmühlen, das Los eines jeden Kleinunternehmers, bzw. selbstständigen Landwirts.

BieVitals Bienengarten zeigt, wie es gehen kann. Einst ein aufgeräumter Rasengarten, in dem kein Vogel gebrütet hat, hat Marc es in ein Biotop verwandelt. Bienen und Hummeln fliegen auf den blühenden Steinklee, auf Buchweizen, Pfefferminze und Kugeldisteln. Brombeeren bilden eine dichte Hecke, in der viele Vögel eine Nistmöglichkeit haben. Im verblühten Gehölz finden sich Kokons von Wildbienen. Überall herrscht Leben in diesem Garten.

Als wir uns verabschieden, denkt Marc nochmal über das Insektensterben und die Verantwortung von uns Menschen nach und sagt:  "Die Honigbiene ist das letzte Insekt, das stirbt, weil es Menschen gibt, die damit zur Not auf Reisen gehen können."
 




Mit diesem Beitrag endet die Insekten-Rezensionsanthologie. Ich hoffe, es hat euch genauso viel Spaß gemacht wie mir!

4 Kommentare:

  1. Hallo Daniela,

    Bienen sind echt sehr ungewöhnliche Geschöpfe. Für dachte ich nicht viel über sie nach, aber die Jahre haben gezeigt, dass sie für uns Menschen so unglaublich wichtig sind. Interessant, wie machen Menschen, das schon sehr früh verstanden haben.

    Ganz liebe Grüße aus Tirol
    Marie

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    Antworten
    1. Hallo Marie,
      nicht zu vergessen, dass es so unglaublich viele Arten von Bienen und Hummeln gibt, die es zu bewahren gilt!
      Freundliche Grüße nach Tirol
      Daniela

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