Seiten

Freitag, 9. Februar 2018

[#WritingFriday] Erkläre einem Kind aus den Tropen, was Schnee ist

#writingfriday header
#writingfriday




Was ist Schnee, fragt das Tropenkind


Was ist Schnee, fragt mich das Kind.  

Herrgott, was für eine Frage, hier, in diesem heißesten aller Tropendörfer, in dem unbarmherzig die Sonne vom Himmel brutzelt. Allein der Gedanke an Schnee ist so unfassbar weit weg wie die Tropen von Alaska.

„Schnee“, dozierte ich, „ist Wasser, dass bei Minusgraden seinen Aggregatzustand wechselt und ...“

Das Kind hebt enttäuscht eine Augenbraue.  Ich überlege kurz. 

„Es ist schwer, dir eine Vorstellung von Schnee zu vermitteln. Es ist ein bisschen so, als würde man jemanden beschreiben, wie es ist, bei Nacht durch den Dschungel gehen. Eigentlich ist der Dschungel noch derselbe wie bei Tag, und dennoch seltsam verändert, anders, bedrohlicher. Und doch schwer mit Worten zu beschreiben.“

"Ich kenne den Dschungel bei Nacht." sagt das Kind und beugt sich erwartungsvoll vor.

„Also gut“, sage ich und räuspere mich.

„Der Schnee ist weiß. Er überformt die Landschaft als eine weiße Fläche. Wenn die Sonne drauf scheint, dann glitzert und funkelt es als würden abertausende Diamanten das Sonnenlicht zurückwerfen. Auf den Ästen der Bäume, auf den Steinen, den Dächern, überall sind kleine pulvrige Schneeflocken, ein bisschen wie weiße Blütenblätter, die sich auftürmen und Hüte oder andere lustige Skulpturen bilden. 

Der Schnee ist wandelbar. Die Erwachsenen bleiben stehen und fahren mit der Hand durch den Pulverschnee. Sie betrachten die Schneeflocken auf ihrer Haut, aber das Vergnügen ist kurz, denn sie schmelzen dahin und sind bald nur noch Wasser. Die Kinder greifen sich viel mehr von dem Schnee und drücken und kneten in ihrer Hand, bis er zusammenklebt und eine mehr oder weniger gleichmäßige Kugel bildet. Diese Kugel eignet sich wunderbar, um sie gegen einen Baum oder einen Spielgefährten zu werfen. Beim Aufprall zerstäubt sie dann wieder in die einzelnen Flocken.
Der Schnee ist kalt. Er prickelt in den Händen und in deinem Gesicht, wenn es schneit. Die Haut ist so kalt, sie fühlt sich an wie gespannt und der Schnee sticht wie mit tausenden kleinen Nadeln. Beim Einatmen denkt man, dass die kalte Luft einem bis direkt ins Hirn geht und beim Ausatmen bildet er kleine Dampfwolken vor Nase oder Mund. 

Der Schnee ist lautlos. Alle Geräusche sind wie gedämpft und beim Gehen macht der Schnee knarzende Geräusche. 

Der Schnee ist wunderbar.  Denk dir einen Abend, klar und kalt, und dann rieselt leise der Schnee vom Himmel, kleine weiße Flecken vor einem dunklen Nachthimmel, vom Licht der Straßenlaternen erhellt, und schmilzt auf deinen Wangen, während du nach oben schaust.“

Das Kind zeichnet nachdenklich Muster in den Sand. Ich wische mir mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn und fühle in meinem Herzen den leeren Schmerz, der Heimweh heißt, nach dem Winter und dem Schnee meiner Heimat.


################################################################################

Dieser Text ist im Rahmen des #WritingFriday entstanden. Elizzy von Readbooksandfallinlove hat ihn ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Und dann - nichts wie ran an die Stifte oder die Tastatur. Eine Geschichte, ein paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt -  egal, Hauptsache, man übt das kreative Schreiben.

Ich werde versuchen, oft mitzumachen und mich einfach im Schreiben zu üben. Ich bin schon gespannt, wie euch meine literarischen Gehversuche gefallen. Konstruktive Kritik und auch Lob sind gern gesehen.

Die Themen für den Februar:
  • Sammle spontan 25 Wörter, die Dinge aus deiner Kindheit beschreiben.
  • George und Amal Clooney reichen die Scheidung ein. Du schreibst für die „Gala“ einen Artikel.
  • Erkläre einem Ausserirdischen, was Liebe ist.
  • Ein vernachlässigtes Cello erzählt.
  • Du erklärst einem Kind aus den Tropen, was Schnee ist.

18 Kommentare:

  1. Guten Morgen!
    Richtig toll, wie du dem Kind den Schnee erklärt hast! :) Gerade liegt hier ja welcher und ich wünsche mir dann immer so sehr, dass ich ihn wieder mit Kinderaugen sehen könnte. Damals, als Schnee noch für viel Freude gesorgt hat, und nicht größtenteils nur für den Gedanken an Matsch, den man mit nach Hause bringt. :D

    Ganz liebe Grüße!
    Gabriela vom Buchperlenblog

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Gabriela,
      ja, so ändert sich das. Als ich hier in den Nordschwarzwald gezogen bin, hab ich gleich mal ein Fahrsicherheitstraining gemacht beim ADAC, das war so die größte Besorgnis. Aber bis auf ein, zwei heikle Situationen hab ich jetzt noch kein größeres Problem gehabt.
      Liebe Grüße,
      Daniela

      Löschen
  2. Hallo! Dein Beitrag ist wirklich gut gelungen und die Vergleiche sind toll! Früher fand ich Schnee auch viel schöner als heute :D schade ändert sich dies so!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Mir gehts noch genauso wie früher, ich find Schnee immer noch toll und bin extra in eine Gegend gezogen, in der es noch Schnee hat. Nur mit dem Autofahren hat ich ein wenig Bammel, aber das Fahrsicherheitstraining hat mir da Selbstvertrauen verschafft.

      Löschen
  3. Liebe Daniela,
    was für ein schöner Text! Du beschreibst Schnee wirklich wie er ist.
    Das gefällt mir sehr gut :)
    LG Janika

    AntwortenLöschen
  4. Hallo,

    ich finde es klasse, wie du den Schnee erklärt hast. Da hat man gerade Lust auf mehr, obwohl ich ja normal nicht so ein Fan davon bin.

    Lg, Eva

    AntwortenLöschen
  5. Man merkt schon auch ein bisschen die Sehnsucht nach dem nassen Weiss. Vorallem bei der Hitze. Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Liebe Grüsse.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Jaa... zu einem Winter gehört für mich Schnee dazu!
      (Zum Glück haben wir den hier, jedenfalls im Moment)

      Löschen
  6. Hallo,

    erstmal vielen Dank für deinen Besuch und Kommentar bei mir.

    Echt ein toller Text von dir. Ich finde es ganz schön schwierig, einem Kind aus den Tropen Schnee zu erklären. Aber vielleicht versuche ich das in den nächsten Wochen auch mal. :)

    Liebste Grüße
    Emma

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Emma,
      ich fand die anderen Themen fast schwieriger, das Thema war noch so ein bisschen stofflich.
      Die Gala kenn ich leider nicht und ich find es verdammt schwer, da den Stil zu treffen. Zumal ich mich weder für George Glooney noch seine Frau interessier.
      Und Liebe zu erklären, das ist auch schwer.

      Aber Ellizy will uns ja herausfordern, das gelingt ja auch gut. Ich fühl mich insgesamt viel kreativer!

      Löschen
  7. Mega gut geschrieben, Daumen hoch! Ich wäre wahrscheinlich an der Aufgabe gescheitert.

    AntwortenLöschen
  8. Hi Daniela,
    ich lese hier zum ersten Mal was vom #WritingFriday und ich finde diese Aktion jetzt schon klasse. Da werde ich auch demnächst einmal teilnehmen, denn ich schreibe schon lange für mich und die Schreibtischschublade und habe auch (meist aus Zeitgründen) nur wenig Austausch mit anderen AutorINNen. Ich hatte mir letztens erst überlegt, wie cool es wäre so kleine Wochenchallenges zu haben, die das kreative Schreiben fördern. Da passt das perfekt. #WritingFriday ist schon mal im Kopf gespeichert und sobald ich mein aktuelles Schreibprojekt abgeschlossen habe, mache ich da auch mit.

    Dein Text gefällt mir sehr gut und ich will nun sofort Schnee vor der Haustür haben :D

    Viele Grüße
    Karo von Bücher an Bord

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Karo,
      so ist die Matrix: du hättest gerne kreative Wochenchallenges und - zapp - schon stößt du auf eine.
      Ich hab früher viel Gedichte geschrieben, aber bei Geschichten bisher schwer getan. War ich mal im Schreibfluß drin, dann ging es sogar, aber mein Problem war oft, erstmal überhaupt ein Thema zu finden und das zu strukturieren.
      Deshalb find ich die Aktion auch so mega, ich kann mich einmal voll auf das Schreiben konzentrieren und jegliche Formen benutzen, um kreativ zu sein. Dazu der Austausch mit anderen, zu lesen, wie das andere Autoren gelöst haben, ich mach wirklich gern mit und lese auch gerne bei dir, wenn du etwas veröffentlichst.
      Grüße, Daniela

      Löschen
  9. Ich habe deinen Text gelesen und musste mega lachen, denn meine Große hat beim diesjährigen ersten richtigen Schnee genau diesen Satz von sich gegeben: "Schnee ist wundervoll!" Sie ist gehopst und hat gelacht und sich über den Schnee gefreut. Ich habe sogar geschafft schnell ein Handyvideo davon zu machen. hihi

    Beim Lesen hatte ich tatsächlich mein Kind vor Augen und wie es dich fragt, was Schnee ist. Sehr, sehr gelungen, diese Aufgabe. Und so wunderschön geschrieben. Weiter so!

    Ich möchte noch ganz viel Geschriebenes von dir lesen, liebe Daniela.

    Herzliche Grüße vom monerl
    (Wundere dich nicht, dass ich heute so viel kommentiere, aber ich komme nicht immer so dazu, wie ich möchte. Und dann häuft sich das halt an manchen Tagen. ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi monerl,
      das ist aber auch eine schöne Geschichte von dir :)
      Das mit dem Gehäuften kenn ich, geht mir aktuell auch so.
      LG;
      Daniela

      Löschen

Ich freue mich über eure Kommentare und über den Austausch. Ich kommentiere hier oder auf eurem Blog, wenn ihr einen habt.

Wenn ihr hier kommentiert, seid ihr mit der Datenschutzerklärung einverstanden, beachtet also bitte die Hinweise dort.