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Sonntag, 8. Juli 2018

[Rezension] Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden von Genki Kawamura

das Bild zeigt das besprochene Buch
... dann wäre es ganz schon einsam

Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden
Autor: Genki Kawamura
Roman, 608 Seiten
Bertelsmann, April 2018
Original: Sekai kara neko ga kieta nara
Übersetzer: Ursula Gräfe
ISBN: 978-3570103357
Affiliate Link zu Amazon

Woher: Rezensionsexemplar des Bloggerportals, dem ich hiermit herzlich danke


So fängt es an


Wie wäre es wohl, wenn alle Katzen von der Welt verschwänden?


Zusammenfassung


Ein junger Briefträger erfährt überraschend, dass er einen unheilbaren Hirntumor hat. Als er nach Hause kommt, wartet auf ihn der Teufel in Gestalt seines Doppelgängers. Er bietet ihm einen Pakt an: Für jeden Tag, den er länger leben möchte, muss eine Sache von der Welt verschwinden. Welche, entscheidet der Teufel. Der Briefträger lässt sich auf dieses Geschäft ein.
Genki Kawamura stellt in seinem Roman, von dem in Japan über eine Millionen Exemplare verkauft worden sind, die einfache Frage: Was macht ein gutes und erfülltes Leben aus?

(angepasster Klappentext)


Persönlicher Eindruck


Der junge, namenlose Ich-Erzähler berichtet von seinen letzten sieben Tagen. Er ist Postbote und leidet seit einiger Zeit unter Kopfschmerzen. Schließlich geht er zum Arzt und erfährt: Gehirntumor im Endstadium. Er wird sterben - heute, morgen oder auch in einigen Monaten. Verzweifelt fällt er in seiner Wohnung in Ohnmacht. Als er erwacht, beobachtet von seinem geliebtem Kater Weißkohl, ist da der Teufel persönlich in seiner Wohnung.
Dieser ist höchst originell - er sieht genauso aus wie der Protagonist, nur dass er sich flippiger kleidet (in Hawaihemden anstatt schwarz-weiß) und einen sehr flippigen, flapsigen Sprechstil hat. Er fasst dem Protagonisten kurz die Genesis zusammen und erklärt dabei die Beziehung zwischen Gott und Teufel - diese Wetten, die die beiden immer am Laufen haben. Auch sein Angebot an den Prota, der Pakt, ist von einer Wette zwischen ihm und Gott beeinflußt (interessant, dass hier in dieser japanischen Geschichte die christliche Mythologie eine so zentrale Rolle spielt). Der Pakt ist folgender:
"Für jeden Tag, den du länger leben darfst, muss etwas von der Welt verschwinden."
Der Protagonist willigt nach einigem Nachdenken ein. Diesen Staub dort oder den Schimmel zwischen den Badefugen, darauf kann er gut verzichten. Doch so läuft das nicht, denn der Teufel bestimmt, was verschwindet.
Als erstes verschwinden die Telefone. Der Protagonist darf nach den Regeln des Pakts den Gegenstand noch einmal benutzen.
Er überlegt lange. Wen kann er in so einer Situation anrufen, wen will er anrufen? Er entscheidet sich schließlich für seine Ex-Freundin und verabredet sich mit ihr für den nächsten Tag.

In Gedanken und Handlungen wird dann deutlich, was dem Protagonisten Telefone bedeutet haben, bzw. er erkennt einige Wahrheiten über Telefone.
 Sie war der einzige Kontakt, den ich nicht im Handyspeicher, sondern im Kopf hatte.
So läuft das auch die nächsten Tage ab - der Teufel, in Einwilligung des Protas lässt weitere Dinge verschwinden.

Zwischendurch begibt sich der Protagonist gedanklich immer wieder in seine Vergangenheit. Er erzählt viel von seiner Mutter, die eine ganz besondere Frau gewesen ist, von seinem Vater, mit dem er lange nicht mehr geredet hat, von der ersten Katze der Familie, Eissalat, und von der jetzigen Katze, Weißkohl. Auch die Ex-Freundin und gemeinsame Erlebnisse spielen eine Rolle. Durch die Rückblenden in die Vergangenheit lernen wir den Prota gut kennen und es gab viele Szenen, die mich sehr bewegt haben, der Brief der Mutter z.B., oder die gemeinsame Onsen-Reise, das sind Bilder, die mir in der Seele bleiben werden, bei mir hat das total einen Widerhall gefunden.

Wie war sein Leben, fragt sich der Protagonist? Banal und trivial, so fürchtet er. Was hat er geleistet, hat er überhaupt wirklich gelebt?

Skurill wird es als der Teufel Weißkohl die Sprache schenkt und sich die Katze mit dem Prota unterhalten kann. Seltsamerweise spricht die Katze sehr gestelzt:
"Statthalter?" Das sollte wohl ich sein? Mein Kater redete wie ein Gefolgsmann aus einem Samuraifilm.
Das Buch ist auch eine Liebeserklärung an Katzen. Man merkt, wie sehr der Postbote seinen Kater liebt. 

Am vierten Tag schließlich wird der Pakt mit dem Teufel wahrlich diabolisch: die Katzen sollen verschwinden. Nun muss der Protagonist sich entscheiden - er oder die Katzen. Oder genauer: Er oder Weißkohl!
Um etwas zu bekommen, muss man auf etwas anderes verzichten.


Das Büchlein ist recht klein mit nur 188 Seiten, so dass ich die Geschichte schnell gelesen hatte. Zudem ist sie sprachlich leicht geschrieben. Allerdings wird das nicht das letzte Mal sein, dass ich das Buch gelesen habe. Da steckt so viel drin, so viel an Schönem, Wahren, so viel auch an Traurigem, an Moral und Philosophie, das ich schon jetzt weiß, dass ich es mehrmals lesen werde!



Lesen oder nicht?


Unbedingt lesen! Eine philosophische Liebeserklärung an das Leben, so einfach es auch gewesen sein mag. Eine Erinnerung, was wirklich zählt im Leben - unsere Beziehungen zu anderen Menschen und eine Liebeserklärung an Katzen!

Die Geschichte hat mich sehr bewegt und ich werde sie ohne Zweifel erneut lesen. Von mir gibt es die Höchstpunktzahl, da der Protagonist samt Eltern und Katze sich in mein Herz geschlichen haben!

Gesamtbewertung: ⭐⭐⭐⭐⭐



Zitate


Gerade weil man genau weiß, dass die Stunden gezählt sind, hängt man am Leben. [S. 68]

In dieser noch so ungewohnten Welt ohne Uhren wurde mir bewusst, dass all die Regeln, die die Menschen aufgestellt hatten, keine echte Gültigkeit hatten. Kategorien wie Farbe oder Temperatur existierten nicht per se, sondern bezeichneten lediglich Dinge der menschlichen Wahrnehmung. [S. 117]

Ich hatte mein Leben gelebt, ein anderes hätte ich nicht leben können. Und doch war es nicht so gewesen, wie ich es mir gewünscht hätte. [S. 173]


Weitere Meinungen

- Bitte hinterlasst mir eure Rezensionslinks, ich verlinke sie gerne -

8 Kommentare:

  1. Du hast schon recht viele Infos drin, die ich gar nicht reingepackt hätte, da schon fast das ganze Buch erzählt ist :P

    Bei der Mutter muss ich dir zustimmen. Diese Momente waren wirklich etwas besonderes!

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    1. Hi Kaisu,
      du meinst sicherlich, was alles verschwindet? Es steht ja schon im Klappentext drin - und zwar in der offiziellen Version, deshalb hab ich zu diesen einzelnen Punkten auch etwas geschrieben. Es kommt meiner Meinung nach auch gar nicht auf die Sachen an sich an sondern wie sie in Beziehung zu dem Mann stehen.

      Ja, die Mutter hab ich fast mehr in mein Herz geschlossen wie ihn :D, das war schon super speziell

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  2. Ich hab ein paar Zeilen übersprungen, weil mir doch zuviele Spoiler im Text waren, aber das Fazit hab ich mitgenommen und das Buch wandert nun auch auf meine Wunschliste. Danke!

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    1. Hi Runar,
      danke für die Rückmeldung. Mich freut, dass das Buch auf deine Wunschliste wandert.
      Ich hab meinen Text und auch den Klappentext nun angepaßt, damit man nicht vorher weiß, welche Dinge alles verschwinden werden.

      Hinweis an alle, die das Buch kaufen: KLAPPENTEXT NICHT LESEN

      Liebe Grüße
      Daniela

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  3. Hi Daniela :D

    vielen Dank fürs Verlinken ^^. Den Protagonisten fand ich in der Tat typisch japanisch, aber die Geschichte hat mir an sich von ihrer Thematik auch sehr gut gefallen und es gab viele berührende Momente.
    Sehr ausführliche Rezension hast du da verfasst, Respekt für so viel Detailgenauigkeit ^^.

    Liebe Grüße
    Insi Eule

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    1. Hi Insi,
      lag daran, dass mir die Geschichte so gefallen hab und ich in den Rezis, so gut es geht, gerne etwas reflektiere darüber.

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  4. Hey Daniela,
    jetzt bin ich hier gelandet und ich glaube, dass ich das Buch, als Katzen- und Japanlieteraturliebhaberin nun doch lesen muss! Ihr habt mich alle angesteckt. :-)
    GlG, monerl

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    1. Fein :D
      Es ist auch, wie gesagt, gar kein dickes Buch...
      Hast du einen Morgen für dich? Das wäre perfekt zum Lesen

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