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Sonntag, 30. September 2018

[Rezension] Gabriele Münter - Ein Leben zwischen Kandinsky und der Kunst - von Stefanie Schröder

Gabriele Münter
Bescheiden, aber nicht einfach: Gabriele Münter

Umfang: 256 Seiten
Ausgabe: Taschenbuch
Verlag: Herder
Erscheinungsjahr/Auflage: Juli 2018
Genre: Roman-Biographie
ISBN 978-3451383144
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Woher: Rezensionsexemplarvon Grützner Literaturtest, ich danke sehr herzlich dafür!



So fängt es an

Immer noch ein wenig Kribbeln in den Füßen, wenn der Zug von weither in den Bahnhof einrollt.


Zusammenfassung


Gabriele Münter, 1877 in Berlin geboren, ist eine ausdrucksstarke Künstlerin. Sie war Gründungsmitglied des Blauen Reiters und lange mit Kandinsky in einer wilden Gewissensehe zusammen. Doch diese Beziehung tat beiden nicht gut...
Heute wird Gabriele Münter als große Vertreterin der Moderne gefeiert, doch es war nicht einfach für sie, Malerin zu werden, denn das Studium an einer Kunstakademie war ihr als Frau nicht erlaubt.

Diese Romanbiografie ist Teil der Themenwelt "Mutige Frauen" aus dem Verlag Herder:


Der Verlag Herder präsentiert mit seinen Romanbiografien mutige Frauen. Den Anfang machen die Romanbiografien zu Coco Chanel, Gabriele Münter und Hildegard von Bingen. Die neuen Romanbiografien aus dem Verlag Herder erzählen ihre Geschichten und sollen als Teil der Themenwelt „Mutige Frauen“ dazu anregen, diese inspirierenden Frauen kennenzulernen, welche die Welt verändert und emanzipiert haben



Persönlicher Eindruck


Gabriele Münter zeigte schon früh Talent als Zeichnerin. Sie konnte besonders Gesichter gut und mit nur wenigen Strichen skizzieren. Die Eltern sahen zwar ihr Talent, kamen aber nicht auf die Idee, es zu fördern. Gabriele nahm später selber ihren Traum in die Hand, Malerin zu werden. Als Frau durfte Gabriele nicht an der Kunstakademie studieren, nahm aber Unterricht - ausgerechnet bei Kandinsky.

Sie und Kandinsky wurden ein Paar und waren 14 Jahre miteinander verbunden. Als Künstler mochten beide sich gegenseitig befruchtet haben, als Privatpersonen war ihr Zusammenleben weniger befruchtend. Kandinsky war verheiratet und ließ sich lange Zeit nicht scheiden. Er lebte mit Gabriele - Ella - in einer Art Ehe zusammen, doch es war nicht legitimiert. Ella merkte, dass sie als unverheiratete Frau in wilder Ehe in der Gesellschaft aneckte. Selbst als geschiedene Frau hätte sie mehr Anerkennung erfahren. Kandinskys Weigerung, sie zu heiraten, machte Ella mehr und mehr zu schaffen. Sie sehnte sich nach Harmonie und Unterstützung.

Für mich faszinierend war, wie sehr Gabrieles Leben davon beeinflußt wurde, dass sie eine Frau war. Angefangen von den Schwierigkeiten beim Studium der Malkunst, über ihre Probleme darüber, dass Kandinsky und sie nicht heirateten, ihre Rolle in dieser Beziehung (sie ließ sich viel sagen von ihm) und schließlich auch bei ihrer Rolle innerhalb der Künstlervereinigung "Der Blaue Reiter", bei der sie viel Korrespondenz- und Verwaltungstätigkeiten übernahm.

Eine Biographie über Münter, das ist auch eine halbe Biographie über Kandinsky, weil ihre Leben so aneinander hingen. Auch weitere bekannte Künstler kamen vor, vor allem natürlich die Gefährten im blauen Reiter, Franz Marc und August Macke.

Das Buch ist in vier Abschnitte unterteilt: Die Schülerin wird zur Gefährtin, Malerkolonie oder eine neue Malrichtung, Blaue Reiter sowie Abschiede und ein Neuanfang. Von allen Abschnitten fand ich den letzten am interessantesten. Unglaublich, wie die Nazis Kunstwerke als "entartete Kunst" verbrannten. Wie die Gefährten nach und nach starben. Wie Gabriele doch noch einen Ehemann und eine Art stilles Glück fand. Wie sie noch im hohen Alter ihren Charakter bewahrte. Sie war bescheiden, aber nicht einfach und sehr sicher in ihrem künstlerischen Ausdruck.

Während ich also durchaus fasziniert von Gabriele Münters Leben war, hat mir der Stil nicht so gefallen. Eine "Romanbiographie" sollte es sein. Zitate aus anderen Quellen wurden den Personen in den Mund gelegt. Das funktionierte für mich als Dialog aber einfach nicht - so sprechen nun mal keine Personen. Mich störte auch, dass die Zeitform sehr beliebig war. Gegenwartsform (Sie gehen schweigend nebeneinander her), Vergangenheit (Ein paar Tage danach brachte er die Verlobungsringe), Zukunft (Gabriele wird schreiben, dass...) und Sätze ohne Verben (Nach dem stickigen heißen Tag in den Gassen hier oben ein leichter warmer Wind). Das fand ich sehr unrund beim Lesen. Die Zitate hier Klammern sind bis übrigens auf eines alle von der gleichen Seite (S. 39)
Auch über einige Formulierungen stolperte ich, z.B. im Vorhinein, am meisten ärgerte mich der Ausdruck sie erinnerte XY anstatt sie erinnerte sich an XY.

Das "biografische Erzählen" war sehr verhalten, die Autorin wollte wohl nicht allzu viel erfinden oder sich vorstellen, sondern sich auf die Quellen verlassen. Damit hat sie nichts falsch machen können, aber mich auch nicht richtig packen können. Auch einige Fragen stellte sich die Autorin, z.B. auf S. 171 "Aber warum hatte sie die Bilder für die Ausstellung nicht selbst ausgesucht?". Für mich war es eine eher unrunde Mischung aus Fakten, Erzählung und Meinung. 



Lesen oder nicht?


Das Buch empfehle ich Lesern, die etwas über Gabriele Münters Leben oder generell ein Künstlerleben Anfang 1900 kennenlernen wollen. Wer über die genannten Schwächen hinweglesen kann, wird sich mit einem interessanten Leben befassen können.

Gesamtbewertung:  ⭐⭐⭐ Buch mit kleinen Schwächen



Zitat


Wassja wusste genau, was ihr den Schlaf raubte, woher diese panische Angst vor gemeinsamen Übernachtungen in Pensionen und Hotels kam. Dass Gabriele noch immer auf den Anmeldeformularen die Standesbezeichnung "ledig" eintragen muste. Er wusste doch, welchen Schock sie in Sindelsdorf bekam. Der Polizei sollte sie gemeldet werden, weil sie mit Kandinsky im selben Gasthof abgestiegen war. Gabriele wollte lieber auf eine Reise mit Wassja verzichten, als das noch einmal zu erleben. Bei der Eröffnung des Herbstsalons in Berlin wird sie nicht anwesend sein. [S. 172]






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