|
#writingfriday |
Harte Liebe
Du hast gerade deinen ersten Arbeitstag
als Assistenzarzt im Krankenhaus. Beschreibe einer Freundin ein
besonders verstörendes Erlebnis.
Else, ich bin jetzt auf dem Weg heim. Ja, jetzt erst. Ich bin völlig fertig. Emotional völlig ausgelaugt. Vielleicht schul ich ja um und werde auch Floristin, haha.
Nein, eigentlich ist mir nicht zum Lachen zumut, ich frag mich schon, was ich hier mach.
Also, da war dieses Paar, die standen schon so schlurfig an der Anmeldung. Er mit fleckigem weißem Hemd, fettigen langen Haaren, graue Jogginghose, so ganz klischeehaft. Darüber aber eine hellbraune, teure Lederjacke, goldenes Armband. Sie in einem kurzem roten Rock, hellblaues, nicht passendes Oberteil. Die Nase schief, Blutflecke darauf und ein Pflaster. Eine Mundseite eingefallen, die Zähne fehlen. Sie sah abgehärmt aus und gleichzeitig zickig, sicherlich war sie auch noch gar nicht so alt, wie sie aussah.
Zunächst dachte ich, wir sollten uns um die Nase kümmern. "Ach, das, nein, das is alt", nuschelte sie und das es um das Kind geht. Das Kind steckte beim Mann unter der Lederjacke, ein kleines Ding mit dürren Steckenbeinen. Hätte sich erbrochen, sagten sie und jetzt schliefe es die ganze Zeit.
Schliefe! Du meine Güte. Bewusstlos war es und hat nur ganz flach geatmet. Wir die komplette Palette abgezogen, Beatmung, Diagnostik. Und er erstmal eine rauchen. Sie nur hin und her getigert und irgendwas geredet. Ich hab sie gefragt, ob sie das Kind geschüttelt hat. Nein, das sei plötzlich so gewesen. Sie hätten gar nichts gemacht. Aber das war ein Schütteltrauma, sagt auch mein Chef. Das Kind wird überleben, aber es ist noch nicht klar, was es vielleicht zurückbehält - Epilepsie, Blindheit, geistige Behinderungen. Als wir gesagt haben, dass wir es erstmal hierbehalten müssen, haben die Eltern einfach gesagt "Ach so" und sind dann davongeschlurft.
Ich bin Ärztin geworden, um Leben zu retten, aber mich macht es wütend, wie respektlos manche Menschen mit ihren Kindern umgehen. Und dann muss ich an mein Kind denken, an Bobby, so habe ich es für mich genannt, mein Bobby, für den ich alles getan hätte und es nicht konnte, Bobby, der in meinem Körper starb - und dann sehe ich diese Eltern an und ich bin wütend und traurig zur gleichen Zeit. Ich weiß, wenn ich professionell sein will, ein guter Assistenzarzt, dann muss ich damit wohl irgendwie klarkommen. Aber heute sehe ich nicht, wie...
Nein, das war kein guter Tag und vielleicht sollte ich tatsächlich Floristin -
Lass dich mal umarmen, du Liebe.
################################################################################
Über den
#WritingFriday: Elizzy von
Readbooksandfallinlove hat ihn ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden
Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Eine Geschichte, ein
paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt - alles ist möglich.
Die Themen für den April:
- Du hast gerade deinen ersten Arbeitstag
als Assistenzarzt im Krankenhaus. Beschreibe einer Freundin ein
besonders verstörendes Erlebnis.
- Bei einem grossen Familienfest erfährst
du, dass deine Grosseltern bereits seit vielen Jahren in einer offenen
Beziehung leben. Schreib die Szene auf, die sich nach diesem Geständnis
ergibt.
- Verfasse einen Dankesbrief an den Erfinder von Zahnpasta.
- Eine Frau verwählt sich und landet bei
einem fremden Mann. Unerwartet beenden sie das Gespräch aber mit einer
Verabredung. Schreibe das Telefonat dazu auf.
- Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz; „Damit hatte Lukas nicht gerechnet, als er sah wie…“ beginnt.