Mittwoch, 29. Mai 2019

[Rezension] ICH ist manchmal ein anderer: Mein Leben mit Schizophrenie von Cordt Winkler

ICH ist ein anderer

Cordt Winkler war Anfang zwanzig, als die Diagnose sein Leben auf den Kopf stellte: paranoide Schizophrenie. Symptome, die er in frühen Kindertagen schon bei seinem Vater beobachtet hatte, entdeckte er nun plötzlich auch an sich selbst: Das unkontrollierbare Abgleiten von Denken und Wahrnehmung, Panikanfälle, Verfolgungswahn, Ohnmacht, freier Fall. Klinikaufenthalte. Ehrlich und mitreißend lakonisch schildert er die Dynamik der psychotischen Krise und führt den Leser tief hinein in seine, von außen betrachtet, phasenweise verrückte Innenwelt. Ein Martyrium für die Betroffenen, ein Rätsel für Angehörige und Freunde und immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Cordt Winkler zeigt, dass es möglich ist, mit der Krankheit zu leben. Gut sogar. [Klappentext]

Persönlicher Eindruck


Dieses Buch hat mich sehr interessiert, weil ich bisher nichts über die Krankheit Schizophrenie wusste. Jedenfalls nichts handfestes. Ich kenne zwei Personen, bei denen Angehörige an Schizophrenie erkrankten, aber keine Medikamente nahmen und das zerstörte dann die Familie. Ich habe diese Menschen aber nicht persönlich gekannt, sondern nur über die (verbitterten) Berichte.

Nun also wollte ich eine Stimme eines persönlich Betroffenen "hören", bzw. lesen. Um so zu erfahren und zu verstehen, was sich hinter Schizophrenie verbirgt. Und dieses Ziel wurde voll erfüllt.


Sonntag, 26. Mai 2019

[Rezension] Das Rosie-Projekt von Graeme Simsion

Rosie-Hörbuch

Liebenswerter Genetik-Nerd mit Aspergersyndrom trifft auf chaotisch verschrobene Barfrau, die ihren Vater sucht.

Don Tillman will heiraten. Allerdings findet er menschliche Beziehungen oft höchst verwirrend und irrational. Was tun? Don entwickelt das Ehefrau-Projekt: Mit einem 16-seitigen Fragebogen will er auf wissenschaftlich exakte Weise die ideale Frau finden. Also keine, die raucht, trinkt, unpünktlich oder Veganerin ist.
Und dann kommt Rosie. Unpünktlich, Barkeeperin, Raucherin. Offensichtlich ungeeignet. Aber Rosie verfolgt ihr eigenes Projekt: Sie sucht ihren biologischen Vater. Dafür braucht sie Dons Kenntnisse als Genetiker. Ohne recht zu verstehen, wie ihm geschieht, lernt Don staunend die Welt jenseits beweisbarer Fakten kennen und stellt fest: Gefühle haben ihre eigene Logik.

Persönlicher Eindruck


Der anerkannte Professor für Genetik, Don Tillmann, ist ein Nerd mit Asperger-Syndrom. Oder, wie er es ausdrückt, sein Gehirn ist anders konfiguriert. Soziale Beziehungen sind schwierig für ihn und er führt sein Leben nach einem strikten Terminplaner inklusive Standard-Mahlzeitenmodell. Für seine Suche nach einer weiblichen Lebenspartnerin, dem "Projekt Ehefrau", entwirft er einen 16-seitigen Fragebogen, um ungeeignete Kandidatinnen rasch zu eliminieren.
Doch dann tritt Rosie in sein Leben, die augenscheinlich völlig ungeeignet ist: Sie raucht, hat anstrengende Essgewohnheiten (kein Fleisch, aber nachhaltig produzierter Fisch und Meeresfrüchte sind okay), kommt immer zu spät und ist sehr spontan. Rosi ist "verkorkst", so sagt sie selber, und auf der Suche nach ihrem biologischen Vater. Don bietet seine Hilfe an, ohne genau ergründen zu können, warum er helfen möchte.


Donnerstag, 16. Mai 2019

[Rezension] Der erste Kaiser von Uen Chen

der erste Kaiser, Buchvogel liest
Buchvogel im Café
Ein Comic des taiwanesischen Künstlers Uen Chen über einen historischen Stoff: China im Zeitalter der streitenden Reiche. Wie kam es zur Vereinigung der Königreiche? Der Comic berichtet aus der Sicht des Herrschers  Qin Shihuang. Er war der Reichseiniger und der erste Kaiser von China. Vereint hatte er das Land durch blutige Eroberungen.

In dem vorliegenden Band schildert Chen Uen im ersten Teil die Beziehung und Freundschaft Ying Zhengs zum Staatsphilosophen Han Feizi. Im zweiten Teil trifft Ying Zheng bei seinen Eroberungsbestrebungen auf den starken Widerstand des Generals Li Mu des Staates Zhao. Li Mu wird zum wichtigsten Gegenspieler und Kontrahenten von Ying Zheng und seinen Ambitionen. Zwischen den beiden wird sich ein dramatischer Showdown entwickeln, von dessen Ausgang über die weitere Zukunft Chinas entschieden wird.

Sonntag, 12. Mai 2019

[Rezension] Augustiresan von Anna Fredriksson

Augustiresan
Jenny ist wieder Single, ihr Mann war ihr untreu. Zur Aufmunterung überreden ihre drei besten Freundinnen sie zu einer Radtour im Süden von Schweden, eine Woche im August. Jenny wirkt betrübt und bedröppelt und bald wird klar, dass es noch mehr Probleme gegeben hat.

Persönlicher Eindruck


Ein Jahr lang hat sich Jenny nicht bei ihren drei Freundinnen gemeldet. Die Anforderungen ihres neuen Jobs sind einfach zu groß gewesen, zu emotional anstrengend. Und ihre Ehe ist zerbrochen.

Abwechselnd wird von der Radtour der vier Frauen berichtet und von Jennys Job-Tortour, von dem Jahr, in dem sie den Kontakt abbrach. Sehr hatte sie sich über ihre Beförderung gefreut, hat sich immer als "Macherin" gesehen. Doch dann läuft es ganz und gar nicht so, wie sie sich das so vorgestellt hat. Der Traumjob wird zum Albtraumjob, ihr Selbstbild bröckelt.

So möchte sie sich nicht vor ihren Freundinnen zeigen, so schwach, hilflos...


Mir gefiel die Reisebeschreibung im Süden Schwedens, diese Radtour, total gut. Das machte wirklich Lust auf mehr. Auch die Freundschaft in diesem Kleeblatt, die vier unterschiedlichen Frauen, hat mir gefallen. Dass Jenny so lange nicht mit der Sprache rausrückte, was genau denn nun ihr Problem ist, hat mich mehr und mehr gestört, wie ein Jucken an einer Stelle, an der man sich nicht kratzen kann.

Zunächst fand ich die Beschreibung der Job-Probleme nicht so spannend, aber dann war es irre spannend und beklemmend, wie sich alles zugespitzt hat und wie unterschiedlich man die Geschehnisse hätte interpretieren können.

Trigger: Mobbing


Eine typisch skandinavische Geschichte, ein Bild relativ am Anfang des Buches trifft die Stimmung gut:
De senaste dagarna har augustivärmen allt mer övergått i den där kylan som är så behaglig efter sommarhettan, men som också alltid bär med sig ett vemod.
(Die letzten Tage war die Wärme des Augustes mehr und mehr in diese Kühle übergegangen, die so behaglich war nach der Hitze des Sommers, aber die in sich auch eine gewisse Wehmut barg. - eigene Übersetzung)


 Diese vier Frauen in ihren 40ern, die viel miteinander durchgemacht haben und die nun in einer Art Midlife-Crises sind; so etwas findet man als Thema selten, und es hat mir gut gefallen, mal etwas von Frauen in meiner Situation zu lesen. Es war wahrhaftig und mitten aus dem Leben.
Bakom sig har hon listan över allt det där hon drömde om i tjugo- och trettioårsåldern. Kärlek och familj, karriär och status, en fin bostad. Punkt efter punkt har sedan dess bockats av, några har fått strykas.
(Hinter sich hatte sie eine Liste mit all dem, wovon sie in ihren Zwanzigern und Dreißigern träumte. Liebe und Familie, Karriere und Status, eine hübsche Wohnung. Punkt für Punkt wurde seitdem entfernt oder gestrichen. - eigene Übersetzung)

Das Schwedische ist gut lesbar, es hat überwiegend gebräuchliche Worte und ist gut verständlich. Etwa auf einem guten B-Niveau liegt der Text, mit einem Wörterbuch kann ich es auch schon Lernern auf A-Niveau empfehlen.



Lesen oder nicht?


Ein etwas melancholischer Radtrip von vier mittelalten Freundinnen und eine pointiert dargelegte Geschichte über Job-Probleme (Mobbing, Überforderung), das ganze vor schwedischer Kulisse. Mir hat es gut gefallen, ein Punkt Abzug weil Jennys langes Schweigen irgendwann nur noch nervte. ⭐⭐⭐⭐



Bibliographische Daten

Titel: Augustiresan
Autor: Anna Fredriksson
Sprache: Schwedisch

Ausgabe: Taschenbuch, 342 Seiten
Verlag: Månpocket
Erscheinungsdatum: 2013
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Deutsche Ausgabe: Apfelwetter
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Danke an Marion vom Schwedischkurs, die mir diesen Roman ausgeliehen hat. Lars - ich bringe es am Dienstag mit für dich.

Freitag, 10. Mai 2019

[Rezension] Der Junge muss an die frische Luft von Hape Kerkeling

Hape

In unnachahmlicher Weise berichtet Hape Kerkeling von seiner Kindheit im Ruhrpott; von der buckligen Verwandtschaft, den Depressionen und dem Freitot seiner Mutter, von Freunden, Humor und Gott.

Persönlicher Eindruck


Ich bin von Hapes Kindheitserinnerungen wirklich begeistert, bewegt, tief berührt. Es ist ein liebevoller Blick zurück auf den kleinen Hans-Peter, den der erwachsene Hape da wirft. Ich litt mit, ich lachte mit, ich saß mit am Küchentisch... Auch Tage nach Beenden dieses Hörbuchs ist mir alles noch präsent.

Es ist ungeheuer mutig, wie Hape hier Themen wie die Depressionen und den Suizid seiner Mutter aufgreift und darüber spricht. Wie ihm als kleiner Junge das Schlimmste passiert ist, das einem Kind passieren konnte, und wie er das heil überstanden hat. Ich denke, dass er hier vielen Betroffenen Mut macht, durch diese Ehrlichkeit. Seine Großeltern, speziell die von ihm verehrte Oma Berta, haben einen entscheidenen Anteil. Solche bedingungslose Hingabe und Liebe, wie es seine Großeltern gezeigt haben, ist herzenswärmend. Und ein großes Vorbild. Die Szene ziemlich am Ende des Buches ist der Knaller, als seine Großmutter am Kaffeetisch zur versammelten Familie sagt, man soll sich schon jetzt damit abfinden, dass der 14-jährige Hans-Peter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit "Junggeselle" bleiben wird und man soll ihn nicht nerven mit Fragen, ob er "eine kleine Freundin" habe. Was für großartige Großeltern, die begreifen oder ahnen, das ihr Zögling schwul ist und ihn daraufhin so eindeutig versichern, dass es für sie kein Problem ist.

Generell mochte ich seine bunte, lärmende Verwandtschaft sehr. Speziell zu seinen beiden Großmüttern hat er ein enges Verhältnis und begreift sich selber als Mischung aus seiner sehr extrovertierten Großmutter Änne und seiner liebevollen und anpackenden Großmutter Berta. Er ist ernsthaft, gläubig, pragmatisch, unangepaßt, humorvoll, willensstark und etwas dominant.

Auch über sein Verhältnis zu Gott, das ja ein sehr persönliches ist, berichtet Hape, oft auch zwischen den Zeilen. Seine spirituelle und freundliche Ader kommt hier gut zum Vorschein. Und es wird deutlich, dass sich sein Humor nicht mit seiner Spiritualität ausschließt. Humor, die Menschen zum Lachen zu bringen, das begreift Hape als seine Mission. Menschen, die vielleicht am Ende ihrer Kräfte sind, die viel zu schultern haben, ein wenig Unterstützung zu geben - Humor ist die beste Medizin. Das hat mich tief bewegt und gerührt.

Hape selbst hat sein Buch gelesen und ich habe ihm gebannt gelauscht. Er setzt die Betonungen so, wie sie ihm richtig erscheinen. Die Dialekteinschübe und die Zitate seiner Figuren wie Horst Schlämmer sitzen natürlich und sind eine Freude, zuzuhören. Auch fand ich ergreifend beim Hören, wie seine Stimme - je nach Stelle im Buch und der Stimmung - tiefer oder höher, ernster oder lustiger klang.




Lesen oder nicht?


Lesen, einfach nur lesen, bzw. am Besten hören! ⭐⭐⭐⭐⭐



Bibliographische Daten

Titel: Der Junge muss an die frische Luft
Untertitel: Meine Kindheit und ich
Autor: Hape Kerkeling
Sprache: Deutsch

Ausgabe: Hörbuch
Ungekürzte Ausgabe, gelesen vom Autor
Dauer: 7' 45''
Verlag: HörbucHHamburg HHV GmbH
Erscheinungsdatum: Oktober 2014


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Donnerstag, 2. Mai 2019

[Rezension] Becoming - Meine Geschichte von Michelle Obama

Hörbuchausgabe von Becoming

Die Autobiographie von Michelle Obama. Von ihrer Kindheit in einer Arbeiterfamilie mit schwerbehinderten Vater in Chigaco, über ihr Studium und ihre Zeit als Anwältin, das Kennenlernen von Obama, ihre Ehe und die Gründung ihrer Familie bis hin zu ihrer Zeit als First Lady: Michelle berichtet warmherzig, reflektiert und ehrlich.

Persönlicher Eindruck


Von Michelle Obamas Biographie bin ich tief beeindruckt. Mit welcher Ehrlichkeit und Empathie sie hier aus ihrem Leben erzählt, ungeschönt von ihren Schwächen aber auch bescheiden von ihren Stärken berichtet, das hat mir imponiert.

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