Freitag, 12. Mai 2017

Sumerland #1: Prinzessin Serisada von Johannes Ulbricht

Buchvogel rezensiert

Johannes Ulbricht: Sumerland - Band 1: Prinzessin Serisada

Prinz Zazamael sucht im Sumerland den "wilden Wein", während Prinzessin Serisada als Spion nach Waylhaghiri vordringt.

Das Cover zeigt eine Turmstadt
wunderschönes Cover

Roman, 349 Seiten
panini Books, August 2016
Genre: High Fantasy, Augmented Reality
ISBN:  978-3-8332-3355-5
hier das Buch bei Amazon
Rezension Band 2
das begleitende Game

Woher: Rezensionsexemplar, angeboten von Knauf Literaturtest; vielen Dank dafür

Erster Satz

In den abendlichen Straßen der Innenstadt habe ich Deine Gestalt vor etwa zwei Stunden zum ersten Mal gesehen, seit Jahren.

Zusammenfassung

Es gibt auf der Welt nur eine einzige Stadt: den babylonischen Stadtkegel Waylhaghiri, in dem sich Fiktion und Realität vermischen. Die Welt wie wir sie kennt, ist nur eine Scheinwelt innerhalb Waylhagiris. Umgeben ist der Stadtkegel vom wilden Sumerland, in dem verstreut Siedlungen liegen.

Wir folgen im Buch vier Personen und Handlungen:
ein 13jähriges Mädchen sitzt auf einer Schaukel, die an einem Ast hängt
Serisada im Sumerland
 (1) Der waylhaghirische kindliche Prinz Zazamael, seit Jahrhunderten baut und designt er an seiner Stadt und arbeitet auf die große Fusion hin. Er okupiert das Sumerland und kämpft sich mit einer kleinen Armee vor, um den wilden Wein finden, der die große Fusion endlich gelingen lassen soll. Doch seine Begleiter werden einer nach dem anderen von unsichtbarer Hand hingemetzelt.
(2) Die sumerländische kindliche Prinzessin Serisada, sie lebt seit Jahrhunderten in einem riesigen Palast und riecht doch alles, was in ihrem Reich vor sich geht. Sie macht sich auf nach Waylhaghiri, um dort eine Revolution anzuzetteln.
(3) Eine namenslose Ich-Erzählerin, die sich ständig mental mit ihrem verstorbenen Freund Andi unterhält, sie arbeitet in einer Werbeagentur, die in unserer Welt liegen könnte, und wurde teileingeweiht in die Geheimnisse der Stadt. Sie kann teilweise hinter die Kulissen sehen, sie kann sogar Zazamel und Serisada beobachten, aber sie kann sich nicht von der Verführung der Fiktion lösen.
(4) Susannne: Sie ist die Nichte der namenslosen Ich-Erzählerin und behauptet, Waylhaghiri und Sumerland erfunden zu haben. Susanne macht sich unabhängig von Spielwarenhändlern, indem sie sich Spielzeug vorstellt und andere Kinder für diese revolutionäre Art des Spielens begeistert.



Persönlicher Eindruck

Dieser Fantasyroman spielt auf verschiedenen Realitätsebenen, was vor allem zu Beginn äußerst verwirrend aber nichtsdestotrotz auch bereichernd ist.

Handlung

Wir folgen zu Beginn lange Zeit der namenslosen Ich-Erzählerin. Da sie selber zwischen einer "normalen" Welt, wie wir sie kennen und dem Blick hinter den Kulissen Waylhaghiri hin- und herschwankt, war auch ich verwirrt: Was ist Realität, was Fiktion, was bildet sie sich vielleicht nur ein? Dazu kommt, dass wir ihrem inneren Monolog lauschen, den sie mit ihrem toten Freund Andi hält. Da diese namenlose Frau nicht im Klappentext auftaucht, ist der Einstieg sehr schwer.

Auch die Handlung um Susanne spielt mit Fiktion-Realität. Wir treffen sie als Nichte der Ich-Erzählerin in Waylhaghiri an. Sie scheint geheimes Wissen um das Wesen der Stadt zu haben und sagt, sie hätte die Stadt und das Sumerland erdacht und beginnt mit einer recht länglichen Vor-Geschichte. Es geht vor allem um das Spiel, dass sie erfunden hat, aber auch wie sie sich den Palast der Prinzessin oder die sieben Hochtugenden ausgedacht hat. Auch hier ist nicht klar: Wenn Susanne die Erfinderin ist, warum treffen wir sie in Waylhaghiri? Auch Susanne taucht nicht im Klappentext auf.

Da sind Zazamael und Serisada wohltuend greifbarer, weshalb es am meisten Spaß gemacht hat, ihren Abenteuern zu folgen:

Zusammen mit Zazamael erkunden wir das Sumerland: ein wildes Stück Natur, mit verstreuten Siedlungen. Wir sind nah dran an Zazamel, an seiner Motivation und an seinen Entscheidungen, wir sehen, wie er seine Leute manipulieren kann. Wie Zazamael auch war ich fasziniert vom Sumerland, obwohl die allgegenwärtige Verlassenheit auch etwas Unheimliches an sich hat.
Im Klappentext steht, dass Zazamael erst einen Schritt vor dem Ziel erkennt, wer der Mörder ist. Doch das stimmt nicht. In diesem Band zumindest wird der Mörder nicht enttarnt.


Dann die Prinzessin Serisada: Obwohl das Buch ihren Namen trägt, taucht sie erst relativ spät im Buch auf. Mit ihr zusammen erleben wir Waylhaghiri. Die Stadt ist faszinierend und furchteinflößend zugleich.

Das Buch endet mit einem ziemlichen Cliffhanger - der hinführt zu Band 2 (Prinz Zazamael).

Spannung

Der Anfang ist etwas zäh. Die etwa 40-jährige Ich-Erzählerin berichtet von ihrem Job und der Suche nach der großen Liebe. Mit ihr zusammen blenden wir immer wieder zu Zazamel und Serisada. Ihre Geschichte ist nicht uninteressant, aber nimmt dennoch einen zu großen Teil des Buches ein. 
der Stadtkegel - man sieht die unterschiedlichen Zivilisationsebenen
Waylhaghiri

Am spannendsten und interessanten fand ich, die Gesetzmäßigkeiten und Regeln der Kegelstadt zu entdecken. In der Stadt gibt es verschiedenen Ebenen, jede neue Ebene stellt eine Weiterentwicklung, eine neue Idee von Prinz Zazamael dar. Alle Böden neigen sich zum inneren Silbersee hin - und wer, bzw. was in diesen See fällt, das ist für immer verloren.
Manche Bewohner sind ganz in einer Scheinwelt gefangen, wie z.B. die Umgebung der namenslosen Ich-Erzählerin, die glauben, in unserer bekannten Welt zu leben. Andere wiederum wissen, dass sie in einem Stadtkegel leben und streben danach, auf eine der höheren Ebenen zu kommen. Dafür müssen sie z.B. bestimmte Rituale gut durchführen (z.B. auf einer Party "Sehen und gesehen werden" zu spielen). Keiner aber weiß, wie sehr sie von dem Rat der Weisen und dem Prinzen manipuliert und geführt werden.


Logik

Serisada zieht los, um eine Rebellion in Waylhaghiri anzuzetteln. Dank ihres besonderen Wesens soll sie unempfindlich sein gegen die Verlockungen der Stadt. Einmal in der Stadt nimmt sie aber einen Job als "Creative Designer" an und beginnt, ein Stadtviertel umzudesignen. Sie geht total in dieser Rolle auf, vernichtet sogar sumerländische Natur, um das Stadtviertel zu gestalten. Sie steht auf einmal bedingungslos loyal zu Waylhaghiri.

Sprachstil

Die Sprache an sich ist gut verständlich. Ungewöhnlich ist, dass die Erzählung in der Ich-Form im Präsens geschrieben ist, während die anderen Erzählstränge im Präteritum geschrieben sind.


Charaktere

Die 40-jährige Frau ist mir nicht recht sympathisch geworden. Ihr Monolog mit ihrem toten Freund und das Jammern über die Arbeit und das Suchen eines Mannes war mit der Zeit ermüdend.
Das kleine Mädchen, Susanne, empfand ich als recht orignell. Sie erfindet ein neues Spiel, aber sie manipuliert auch ihre Mitspieler.
Am meisten Zeit verbringen wir mit Zazamael. Er ist erfindungsreich, manipulativ, ehrgeizig, kreativ, dabei recht einsam und er hat wohl weniger Macht in seiner eigenen Stadt wie er gern hätte. Ihn musste ich liebgewinnen.
Serisada präsentiert sich als weises, kluges und taffes Mädchen. Auch sie war jahrhundertelang einsam und kommt ganz gut in der großen Stadt zurecht. Auch sie war mir sehr sympathisch.

Inspiration

Das Buch ist inspirierend. Zum einen ist das Cover total schön, wie ein Gemälde.
Zum anderen hält uns Waylhaghiri den Spiegel vor (schließlich ist ja auch unsere Welt nur ein Teil von Waylhaghiri): Wir führen Rituale aus, die unseren "Wert" steigern, z.B. unsere Beliebtheit. Wir checken und vergleichen, wieviel Freunde wir haben, wieviel Geld, wieviel sich für uns interessiert haben, wie cool wir sind. Doch was von diesen Scheinwerten ist wirklich real? Die Geschichte regt hier zum Nachdenken an.


Zum Bonus "Augmented Reality": Die kostenlose App "Apparatu Memoria Sumerland" soll den Spieler nach Sumerland bringen. In Unis, Fußgängerzonen und Museen seien Marker versteckt, hinter denen sich ein Buchauszug und ein Rätsel verbergen. Man kann die Marker auch auf www.endederwelt.de herunterladen, ausdrucken und so die Rätsel lösen. Hat man 12 Rätsel gelöst, bekommt man Kontakt mit anderen Spielern. Ab jetzt ist es ein Live-Rollenspiel, das sich an den Roman anlehnt. Die Musik dafür wurde von der Band QNTAL kompiniert.
Bisher habe ich das Spiel noch nicht ausprobiert. Ich finde den Gedanken, die Geschichte auch interaktiv "augmented reality"-mäßig weiterzuspielen, aber faszinierend. Das war einer der Gründe, warum ich das Rezensionsexemplar angenommen habe.


Lesen oder nicht?

Diese Fantasy-Geschichte punktet durch die Vermischung von Realität und Fiktion. Die waylhaghirische Gesellschaft hält uns den Spiegel vor, es gibt viele Stellen, die den Leser zum Nachdenken bringen über sich selber und unsere Welt. Das Buch ist komplex in dem Sinne, dass es verschiedene Realitätsebenen gibt, die sich nur nach und nach erschließen. Das Buch ist also etwas für Menschen, die gerne beim Lesen mitdenken und sich inspirieren lassen.


3 Zitate

Ich sitze als letzter Gast in einem teuren Restaurant in der Innenstadt. Ein Problem bei der Arbeit habe ich soeben gelöst: Ab jetzt wird es niemand wagen, mich zu mobben.
Nun muss ich noch den Rückstau abbauen, dann ist mein Job gesichert. [Zufallszitat, S. 65]

"Warum machen wir uns eigentlich die Mühe, mit dem Pferd das ganze Land zu durchqueren, und nehmen nicht den Hubschrauber?"
Samurim fragte das gähnend, ein grauhaariger Mann mit einer weißen Narbe quer über dem Gesicht.
Der Prinz wollte antworten, aber Othelion kam ihm zuvor.
"Der Rat will, dass die Krieger beritten sind und nicht motorisiert. Das ist heldenhafter. Und es sieht auch besser aus in den Nachrichtensendungen. Mit dem Hubschrauber würden wir zwar an unserem Ziel ankommen, aber ohne die Entfernung dorthin wirklich zurückgelegt zu haben. Der Weg zu Pferd ist gefühlsökonomisch gradliniger und vernünftiger." [S. 134-135]

Wenn man als Kind mit den Eltern im Urlaub an einen Ort fährt, den man sich nicht ausgesucht hat, ist man frei, denn man ist nicht für das Gelingen des Urlaubs verantwortlich. Man kann die fremde Urlaubswelt unvoreingenommen betrachten. Man muss sie nicht gut finden. Der Urlaub ist kein Projekt, das erfolgreich abgeschlossen werden muss.
Anders empfand das natürlich ihre Mutter: Sie hatte sich Österreich als Urlaubsziel ausgesucht, weil sie hier etwas Bestimmtes erleben wollte. Aufgrund der Prospekte im Reisebüro stellte sie sich Österrreich als ein Land der kernigen Naturverbundenhiet vor und wollte diesen Traum auf den Bergpfaden nacherleben. Trotz des Dauerregens. [S. 207]



Rezensionen auf anderen Blogs


Line's Bücherwelt: 4 Sterne
Nerdcheck - Julia Boege: 71%
Fairy Books: 3,5 Sterne
Lesenswertes aus dem Bücherhaus


Ich freue mich über eure Kommentare! Habt ihr das Buch auch gelesen? Ich suche noch nach Rezensionen auf anderen Blogs.

18 Kommentare:

  1. Auch wenn ich kein Fanrasy mag, ganz tolle Rezi und das Buch hört sich interessant an! Liebe Grüße!

    AntwortenLöschen
  2. Nein, das Buch kannte ich bisher noch nicht und ich denke auch, dass es eher nichts für mich wäre. Danke für deinen ausführlichen Bericht!

    Liebe Grüße

    Anna <3

    annashines.com

    AntwortenLöschen
  3. Hört sich nach einem interessanten Buch an. Ich mag gewöhnlich Fantasy Bücher und nehme dieses, basierend auf deiner Meinung, auf meine Liste :)

    AntwortenLöschen
  4. Toller Review :) Hört sich nach einen tollen Buch an. Mein Geschmack ist es nicht gerade aber das Cover sieht toll aus.


    ShellyAbdallahs.Blogspot

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das Cover ist wirklich der Hammer. Könnte ich mir gut vorstellen, als Gemälde an die Wand zu hängen.

      Löschen
  5. Puh das klingt ganz schön verwirrend und kompliziert. Ich weiß nicht so recht, ob ich das gut finde... Hast Du es denn gerne gelesen?
    Liebe Grüße
    Jil von Jil's Blog

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Jil,
      gute Frage. Tatsächlich war ich mir lange Zeit nicht darüber klar, ob ich es mochte oder nicht. Seltsam, denn meistens weiß ich, ob mir das Lesen gerade Spaß macht, oder nicht. Jetzt, wo ich bei Band 2 bin, kann ich sagen, dass es Spaß macht zu lesen; nachdem man erstmal die Grundstruktur dechiffriert hat, wird es auch leichter.
      Gruß, Daniela

      Löschen
  6. Ui, klingt, als ob man das nicht müde vor dem zu Bett gehen lesen sollte ;) Scheint als müsste man da voll bei der Sache sein ;)

    Ganz liebe Grüsse,

    Mia

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Mia,
      zumindest zu Beginn, bis man mit der Grundstruktur und der Schreibweise einigermaßen vertraut ist, sollte man bei der Sache sein. Jetzt in Band 2 ist es viel leichter. Und da ich immer noch krank bin und nicht viel machen kann außer im Bett liegen, surfen, husten und Lesen, bin ich damit auch bald fertig.
      Gruß, Daniela

      Löschen
  7. Richtig gute Rezession, sehr ausführlich und gut geschrieben. Ich glaube aber ein Buch für mich wäre es nicht :D

    LG Luisa

    AntwortenLöschen
  8. wow, was für eine tolle Rezension.
    Ich verlinke sie gern auf meinem Blog und bleibe dir als Leserin auf jeden Fall erhalten.

    AntwortenLöschen
  9. Huhu!

    Eine tolle Rezension, die mir wirklich weiterhilft! Ich hatte das Leseexemplar auch angeboten bekommen, aber erstmal abgelehnt, weil ich kein Smartphone besitze und mir nicht sicher war, ob das Buch auch ohne App noch lohnend sein würde oder nicht. Aber es klingt ja so, als hätte das Buch inhaltlich viel zu bieten und sei nicht nur der "Aufhänger" für die App. :-)

    Ich habe deinen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt!

    LG,
    Mikka

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Mikka,
      ja, auf jeden Fall lohnt es sich auch ohne Smartphone und App. Im Gegenteil weiß ich nicht, ob sich das Spiel ohne Buch lohnt. Leider hab ich es bisher immer noch nicht geschafft, es zu spielen :)
      Danke für die Verlinkung!
      Daniela

      Löschen

Ich freue mich über eure Kommentare und über den Austausch. Ich kommentiere hier oder auf eurem Blog, wenn ihr einen habt.

Wenn ihr hier kommentiert, seid ihr mit der Datenschutzerklärung einverstanden, beachtet also bitte die Hinweise dort.

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...