Donnerstag, 24. Januar 2019

[Rezension] The Handmaid's Tale von Margaret Atwood

Erste Seite im Buch

We slept in what had once been the gymnasium

Ihren richtigen Namen musste sie aufgeben. Sie heißt nun Offred. Der Name und die roten Kutte kennzeichnen sie als Handmaid, als Magd ihres Commanders, in dessen Haushalt sie wohnt. Ihre einzige Aufgabe: Schwanger werden. Wenn sie versagt, wird sie wahrscheinlich in die Kolonien geschickt zu Aufräumarbeiten, und wird langsam an Strahlenkrankheit sterben. Oder sie wird als Verräterin gelten und an der Mauer aufgehängt.
Gilead ist ein Staat, der seine Bewohner unterdrückt, und doch gibt es auch hier zarte Gegenbewegungen und Liebe und Zuneigung, wo es besser keine geben sollte. Schon gar nicht als Frau, deren Zukunft allein von den Männern um sie herum abhängt.



Persönlicher Eindruck


Der Roman spielt ungefähr in den 70ern Jahren in den USA, die jetzt die Republik von Gilead bilden.
Die Ich-Erzählerin berichtet von ihrem jetzigen Leben, in Rückblenden erzählt sie von ihrem damaligen Leben. Sie lebte recht normal, hatte einen Freund, trug Bikins, studierte. Sie hatte auch eine Tochter.

Nun ist alles anders. Die USA sind keine Gesellschaft der Freien mehr, stattdessen herrscht religiöse Diktatur. Offred lebt als Magd im Haushalt eines reichen Mannes. Offred bedeutet "Von-Fred"; einen eigenen Namen hat sie nicht mehr. Die Handmaids oder Mägde sind der niederste Stand. Sie sind nur dazu da, Kinder zu bekommen für das Ehepaar, in dessen Haushalt sie wohnen.

Denn das Problem von Gilead ist die niedrige Reproduktionsrate; es gibt große Fertilitätsprobleme. Offred ist eine der wenigen, die schon bewiesen hat, dass sie Kinder bekommen hat. Doch obwohl die Mägde somit für die Gesellschaft wichtig sind, haben sie einen niederen Stand, andere Frauen (die "Marthas" (Haushälterinnen) und die Ehefrauen) sollen sich nicht mit ihr anfreunden. Die Männer sollen sie sowieso nicht ansehen. Draußen muss sie rote Kutten tragen und eine Art Klappenhut, der ihr Gesicht verdeckt. Die Regeln werden streng überwacht. Ein Jahr hat Offred Zeit, um schwanger zu werden. Gelingt es ihr nicht, ist das ihre Schuld - sagt der Staat. Doch der Commander könnte steril sein, mutmaßt ihr Arzt. Und damit das monatliche, bizarr anmutende Beischlafritual zur Zeit des Eisprungs nutzlos.

Eine sehr repressive und freudlose Gesellschaft ist das, die sich innerhalb weniger Jahre da bilden konnte. (Tatsächlich hab ich mich gefragt, wie schnell das alles vonstatten ging; dass sich jetzt alle so in ihr Schicksal fügen und alles schon so geordnet in den "neuen" Bahnen verläuft.)
Frauen wie Männer werden an feste Plätze verbannt. Frauen haben überhaupt keine Rechte, Männer ein wenig mehr, aber auch sie haben feste Rollen, mit denen sie sich arrangieren müssen. Nur als Ehemann bspw. erhält man die Chance, sich fortzupflanzen. Untergeordnete Männer müssen Dienste erfüllen, aber haben kaum je die Möglichkeit, eine Partnerin zu bekommen.

eine Eule
Tolle Verpackung für das Buch

Obwohl mich der Bericht anrührte, fiel mir das Lesen durch die sehr langsame Erzählstruktur nicht leicht. Die Ich-Erzählerin berichtet von ihrem Leben, erklärt aber sehr wenig. Sie ist mittendrin und aus dieser Mitte heraus erzählt sie. Diese Erzählweise konnte mich über weite Strecken nicht mitreißen. Erst ab ca der Hälfte hatte ich genügend Hintergrundinformationen zusammen, um das Szenario überhaupt zu verstehen. Dann nimmt auch die Geschichte Fahrt auf. In einem Staat, der seine Bürger so unterdrückt, ist das natürlich nicht viel. Aber die Entdeckung einer Parallelkultur und einer kleinen Rebellenbewegung ist in diesem Umfeld schon viel. Auch löst sich das Schicksal von Offreds rebellischer Freundin Moira auf.

Eine historische Fußnote rundet das Buch ab. Auf einem Kongreß wird das Buch als Zeitzeugnis diskutiert, ein biografisches Schicksal aus der Republik von Gilead, die dann schon Geschichte ist. Wer war die Ich-Erzählerin? Lässt sich ihr Commander einer bekannten Persönlichkeit zuordnen? Was ist mit ihr geschehen? All das bleibt im Nebel und offen.


Offred ist ein eher passiver Charakter, der sich irgendwie mit seinem Schicksal arrangiert. Trotz eines Umerziehungslagers hat sie sich aber ihr unabhängiges Denken bewahrt und sieht vielen Entwicklungen wie von außen zu. Sie ist keine wahre Gläubige, sondern versucht nur, so gut es geht, zu überleben. Damit ist sie nicht grade eine klassische strahlende Heldin, aber authentisch. Innerlich ist sie frei und ungebrochen.


Was kann ich als Leser aus diesem Buch mitnehmen? Für mich ist es die klassische Frage: wie würde ich mich, als Frau, als Mann, als Kind, als Rentner, in so einem Sinn fühlen und was würde ich tun? Vermutlich würden wir alle wie Offred einfach nur versuchen, zu überleben.

Die Frage jedoch, die unbeantwortet bleibt ist die, wie sich dieses System innerhalb weniger Jahre so etablieren konnte. Darauf gibt die Autorin keine richtige Antwort und das ist die Grundsatzfrage, die ich die ganze Zeit im Hinterkopf hatte und mich intellektuelle "gejuckt" hat. Genauso wie der Stil dieses Buches, dass sich Erklärungen und Zusammenhänge erst nach und nach erschließen - ich mag dieses Stilmittel einfach nicht so gerne.

Die zugehörige Serie, die jetzt in aller Munde ist, habe ich noch nicht gesehen. Ich habe nur die Bildgewalt der roten Kutten erlebt.

Ich hab das Buch im englischen Original gelesen und es ist sehr verständlich geschrieben.


Lesen oder nicht?


Eine sehr leise und zurückhaltend erzählte Geschichte, die erst ab der Hälfte richtig Fahrt aufnimmt.  Ein prophetisches Szenario - sagen die einen; maßlos übertrieben und unlogisch, dass alles so schnell ging - die anderen. Die Hauptperson einerseits distanziert, andererseits angepaßt. Hier muss man sich seine eigene Meinung machen.

 ⭐⭐⭐(⭐)






Weitere Meinungen

  • Dieter Wunderlich: umfassende Inhaltsangabe
  • Kill Monotony: Die Autorin hat es meiner Meinung nach nicht geschafft, auf ihre grundsätzliche Idee ein gutes und glaubwürdiges Plot-Fundament zu bauen. Die Protagonistin erscheint unsympathisch und schien sich vor dem Wandel auch nicht sehr für ihr Umfeld interessiert zu haben
  • Welt der Wörter:  Kühl und sachlich, fast schon emotionslos berichtet die namenlose Magd von ihrem Schicksal, doch die kleinen Anmerkungen sind es, die den Leser ihr ganzes Elend fühlbar machen


Bibliographische Daten


The Handmaid's Tale
Autor: Margaret Atwood
Penguin Random House
Sprache: Englisch
Original von 1985
Dystopie
Deutsch: Der Report der Magd
ISBN: 978-1784870966

Dieses Buch hab ich zum Geburtstag geschenkt bekommen, samt einer selbergenähten Schutzhülle.


4 Kommentare:

  1. Liebe Daniela,
    schade, dass dich das Buch nicht umfänglich in seinen Bann ziehen konnte! Ich fand es wirklich sehr grandios! Das System wurde schleichend in mehreren Abschnitten eingeführt, das alte also gestürzt. Auf einmal durften Frauen nicht mehr arbeiten, kein eigenes Geld mehr verdienen, kein Konto mehr führen. Sie sollten sich auf ihre Aufgabe als (Haus)frau und Mutter (Kinder kriegen) zurückbesinnen. Im nächsten Schritt wurde dann das der Rest umgekrempelt. Wer nicht mitmachte, wurde mit Gewalt gezwungen. Nur eine kleine elitäre Gruppe hatte die Macht Gilead zu formen und zu führen. Hierzu gehörten die Commander und ihre Ehefrauen, die noch am meisten Freiheiten genossen. Da ist es natürlich klar, dass nicht mehr viele dagegen aufbegehrten. Die meisten Menschen wollten ja (über)leben. Wer wollte schon auf diese verseuchten Felder und verstrahlt werden? Deshalb würde ich nicht davon sprechen, dass sich das System so schnell etabliert hat. Man fügte sich in sein Schicksal, da Gewalt vorherrschte.
    Hast du meine Rezi gelesen? Ich kann grad nicht drauf zugreifen und sie nicht hier verlinken, da der Blogserver down ist. Vielleicht solltest du das Buch auch auf Deutsch lesen. Die Serie empfehle ich dir unbedingt! Sie ist wundervoll gelungen! Der erste Teil ist genau der aus dem Buch. Ab dem zweiten wurde die Geschichte weiterentwickelt. Aber nicht minder gut. Ich habe beide gesehen und warte total gespannt auf Teil 3. Mich hat das Serien-Fieber gepackt. Dabei schaue ich gar kein TV. Unser Fernseher ist seit Jahren abgebaut. Ich wähle nur hin und wieder nen Film aus, den ich schaue... :-)
    GlG, monerl

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    1. Hi monerl,
      ich verlink dich gerne noch! :)
      Ja, das Szenario ist erschreckend, trotzdem bin ich gedanklich bei dieser sehr schnellen Umwälzung stecken geblieben. Das wird ja auch nicht stringent erzählt, sondern es dauert einige Zeit, bis wir einige Informationen bekommen, wie und warum dieser Umsturz passiert ist. Und da sind bei mir eben einige Fragezeichen übrig geblieben.
      Klar, z.B. mit dem IS ist ja etwas ganz ähnliches passieren, aber im Buch war das mehr ein Umsturz von innen. Und es gibt ja auch diese religiöse Komponente; in einem Land, dass religiöse Vielfalt ja eigentlich kennt.
      So, wie das Buch geschrieben ist, ist der Fokus auch gar nicht auf dem "wie konnte das geschehen", sondern mehr auf dem "was mache ich jetzt"? (Antwort: Nicht auffallen)
      Und das ist zwar stimmig, aber mir irgendwie zu wenig. Dass die meisten Menschen eher nicht ihr Leben unnötig riskieren, ist schon klar, aber dann brauch ich auch nicht dieses Szenario drum rum konstruieren.
      Für mich war der Roman ein bisschen wie ne Ente, von allem etwas, aber nichts richtig

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  2. Hallo Daniela,

    was für ein furchtbares Gesellschaftssystem!
    Ich glaube aber, dass eine Umstruckturierung schnell geht. Dus chreibst ja auch von einer Diktatur. Überlege Dir, wie es in der DDR war. Also, als sie entstanden ist.

    Liebe Grüße
    Petrissa

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    1. Hallo Petrissa,
      also, wenn ihr mich alle überstimmt, schließ ich mich der Mehrheitsmeinung an, ich bin da bestimmt nicht schlauer als der Rest.
      Mit der DDR, da hab ich die zeitliche Abfolge gar nciht so auf dem Schirm. Allerdings gab es davor ja auch schon eine Diktatur...

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