Samstag, 16. September 2017

[Anthologie #Insekten] (9) Die Bienenhüterin von Sue Monk Kidd

auf dem Cover sind kleine Bienen, die man erfühlen kann
die kleinen Bienen auf
dem Cover sind tastbar

Roman, 352 Seiten
btb, April 2005
Genre: Gegenwartsliteratur
ISBN: 978-3442732814
Originaltitel: The Secret Life of Bees
Übersetzer: Astrid Mania
hier das Buch bei Amazon


Woher: Gelesen im Rahmen der Insekten-Rezensionsanthologie



Erster Satz


Nachts lag ich im Bett und schaute zu, wie die Bienen durch die Spalten in der Wand meines Schlafzimmers schlüpften und in Kreisen durch mein Zimmer flogen, sie machten ein Geräusch wie Propeller, ein ganz hohes Sssssssss, das dicht um mich herum summte.


Zusammenfassung


Lillys Mutter ist gestorben, als sie vier Jahre alt war. Wir schreiben das Jahr 1964. Lilly, inzwischen 14 Jahre alt, hat bei ihrem Vater ein liebloses und hartes Zuhause. Die schwarze Haushälterin Rosaleen ist ihre Vertraute. Sie will sich in das Wählerverzeichnis eintragen lassen, doch auf dem Weg dorthin gibt es einen Zwischenfall und sie landet im Gefängnis.
Lilly verhilft ihr zur Flucht und die beiden hauen ab nach Tiburon. Diesen Ortsnamen hat Lilly auf einem Foto mit einer schwarzen Madonna gefunden, das ihrer Mutter gehörte.
Dort angekommen, finden sie Obdach bei Augusta und ihren Schwestern, Bienenhüterinnen. Auf ihren Honiggläsern klebt ein Etikett mit der schwarzen Madonna von Lillys Foto. Lilly sehnt sich nach einem Zuhause und möchte am liebsten für immer bei Augusta und den Bienen bleiben.

Es geht um Liebe, wie wir uns nach ihr sehnen und wo wir sie finden.






Persönlicher Eindruck



Das Buch wird in Ich-Form aus der Sicht von Lilly erzählt. Wir bekommen hautnah ihre Gedanken mit. Lilly ist ein taffes Kind, dass sich aber wenig geliebt fühlt und Sehnsucht nach ihrer Mutter hat, die sie kaum kennt. Schlimmer noch, ihre einzige Erinnerung an sie ist der Tag des Unfalls, als die kleine Lilly eine Pistole aufgehoben hat, aus der sich ein Schuß löste. Bei den Bienenhüterinnen fühlt sie sich wohl und zuhause.

Augusta ist die Stimme des Buches, sie nimmt Lilly unter ihre Fittiche. Sie ist stark und weise. Auch Rosaleen bemuttert Lilly, mir ihrer freundlichen, aber unbezwingbaren Art. Lilly hat mehr Mütter, als sie weiß.

Das Haus ist ein Refugium der Weiblichkeit, mit starken Frauen und der Verehrung der Maria, in der Männer aber auch ihren Platz finden.

Das Thema Liebe, Mutterliebe, ist zentral.

Weiteres Leitthema sind die Bienen. Lilly liebt Bienen und wird in die Kunst des Bienenhütens und Honigmachens eingeführt. Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat über Bienen. In Augustas Haus dreht sich alles um die Bienenvölker und bald gilt das auch für Lilly.




Lesen oder nicht?


Empfehlenswert. Ein Roman wie ein erfrischender Sommerregen.


3 Zitate


Ich zeigte auf die Honiggläser. "Woher haben Sie denn die?"
Er nahm wohl an, dass ich so verstört klang, weil ich völlig fassungslos wäre. "Ach ja, ich weiß, was du meinst. Viele Leute kaufen den Honig nicht, weil da die Jungfrau Maria als Farbige drauf ist, aber die Frau, die den Honig macht, ist selber 'ne Farbige."
"Wie heißt sie?"
"Augusta Boatwright", sagt er. "Sie hat ihre Bienen hier überall in der Gegend." [S. 75]

Ich fühlte mich zwar wohl, aber trotzdem war mir alles auch so fremd, als wäre ich tatsächlich im Kongo. In einem Haus mit lauter farbigen Frauen zu wohnen, von ihren Tellern zu essen, auf ihren Laken zu liegen - nicht, dass ich was dagegen gehabt hätte, es war mir nur so völlig neu, und meine Haut war mir noch nie so weiß erschienen. [Zufallszitat, S. 90]

Es schien, als ob Zach mich etwas fragen wollte. Er machte den Mund auf, dann schloss er ihn wieder.
"Ich schreib all das hier für dich auf", sagte ich. "Ich mache daraus eine Geschichte."
Ich weiß nicht, ob es das war, was er mich hatte fragen wollen, aber das wollen wir doch alle - dass jemand das Unrecht, das einem angetan wird, sieht und niederschreibt, damit es etwas bedeutet. [S. 207]


Querverweise

Wir erfahren hier einiges über Bienenhaltung, wie auch in Geschichte der Bienen. CCD spielt in hier in diesem Buch aber keine Rolle. Lilly ist fasziniert von den Bienen und mag ihr Summen. Auch das eine Parallele zu Imker George.

Ich möchte hier noch auf die unterschiedlichen Worte hinweisen: Imker und Bienenhüterin. In Kidds Roman hat die Bienenhaltung auch eine spirituelle Komponente, die dem eher nüchternen George abging. Die spirituelle Dimension ist das Einzigartige in der Beziehung zu Insekten, das in diesem Roman beschrieben wird. Ihr Dasein ist eine große Konstante und ein Trost.


Fußnote: Marc von BieVital über Bienenhaltung


Marc La Fontaine ist seit seinem neunten Lebensjahr von Bienen fasziniert. Seit 2010 betreibt er eine Berufsimkerei namens BieVital in Karlsruhe-Durlach und bietet imkertechnische Dienstleistungen an. Ich traf Marc Anfang August in seinem Bienengarten, wo er mir einige Völker zeigte und Fragen zu den Bienen und ihrer Haltung beantwortete. Ihr findet den Bericht über den Besuch bei Marc dreigeteilt als Fußnote zu den Romanen Geschichte der Bienen, Die Bienenhüterin und Der Bienenroman.



Wie in „Die Bienenhüterin“ dreht sich auch bei Marc alles um die Bienen. Er macht sich viele Gedanken über sie und den richtigen Umgang mit ihnen. Sein Verhalten ihnen gegenüber ist von Respekt und Freundlichkeit geprägt. Und tatsächlich sind seine Bienen von erstaunlicher Sanftmut. Diese Eigenschaft ist eines der Kriterien, auf die er bei der Zucht achtet, neben Gesundheit und Ertragsleistung.

Marc nebelt die Bienen ein
Marc nebelt mit dem Smoker die Bienen ein

Anders als viele Imker verzichtet er auf Schutzkleidung und Handschuhe. Einzig der Smoker, mit dem er die Bienen sanft einnebelt, kommt zum Einsatz. Die Bienen nicht aufregen, das ist dabei das Motto. Mit ruhigen Bewegungen holt Marc die Oberträger ans Licht, an denen eine Bienentraube hängt.

Generell gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Bienen ihre Waben bauen zu lassen. In Marcs sog. Top Bars Home-Hive bauen die Bienen alle Waben komplett selber entlang des Oberträgers (Naturwabenbau). Auch bei Marc im Einsatz sind an Rähmchen befestigte, selbergebaute Mittelwände aus Wachs, das Wachs stammt aus seinem eigenen Wachskreislauf. Diese Mittelwände bauen die Bienen dann aus; das geht schneller als wenn die Bienen die Waben komplett selbst bauen. Bei Marcs Honigproduktion ist keine Wabe älter wie zwei Jahre; Brutwaben tauscht er sowieso jährlich. Bei diesem System kann Marc nur den Überschuss ernten, das ist einer Punkte, die seinen Honig so besonders und so hochpreisig macht.

Im Fachhandel gibt es auch fertige Mittelwände aus Wachs oder sogar Plastik zu kaufen, allerdings ist hier die Gefahr der Verunreinigung gegeben. 

Wabe mit Bienen
Bienen auf Wabe

Die Trachtabfolge in unserer Region ist folgende, erklärt mir Marc: Zuerst kommt die Obstblüte, dann die Blüte, dann Linde/Sommerblüte, der Wald und zuletzt die Spättracht. Dazwischen sind Trachtlücken, eine Mangelzeit für die Bienen, in der sie sich von den eingelagerten Vorräten ernähren. Marc achtet darauf, den Honig erst zu ernten, wenn die nächste Tracht anfängt. So stellt er sicher, dass er nur den Überschuss erntet und sich die Bienen in der Trachtlücke natürlich ernähren. Das bedeutet aber für den Imker auch finanzielle Einbußen im Gegensatz zur konventionellen Haltung: 

Bei der konventionellen Haltung richtet sich der Erntezeitpunkt nach anderen, nach ökonomischen Gesichtspunkten. So erntet ein konventioneller Imker bspw. nach der Rapsblüte, um Rapshonig zu bekommen. Die Bienen erhalten von ihm im Austausch Zuckerwasser und Glukoseteig zur Ernährung. Zucker ist viel billiger als Honig und so macht der Imker Gewinn. 

Als gelernter Imker kennt Marc viele Methoden, mit denen er die Leistung steigern könnte. Zum Beispiel könnte man die Brut pushen. Doch diese Methoden widersprechen seinen Grundsätzen, bei denen die Biene im Mittelpunkt steht. Marc hat seine Grundsätze zur artgerechten Bienenhaltung auf seiner Homepage unter dem Punkt Über BieVital zusammengefasst.
 



Ich freue mich über eure Kommentare. Hält jemand auch Bienen oder hat ein Bienenvolk gemietet?

9 Kommentare:

  1. Hey Daniela,

    das Buch habe ich vor Jahren auch mal gelesen und mochte es richtig gern. Ich hatte gar nicht so eine traurige und tiefgründige Geschichte erwartet.

    Kennst du den Film zum Buch?

    Ich finde auch deine Zusatzinformationen sehr interessant. Ich kenne mich mit Imkern gar nicht aus, daher war mir gar nicht klar, dass es so unterschiedliche Zeitpunkte für die Honigernte gibt.

    Liebe Grüße
    Julia

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    1. Hallo Julia,
      das stimmt, es ist tiefgründig. Richtig traurig fand ich es nicht, aber eine gewisse Melancholie hat die Geschichte.
      Den Film kenn ich nicht, ich wusste gar nicht, dass es verfilmt worden ist. Lohnt er sich?

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    2. Ich fand die Verfilmung sehr gut gemacht. Ich weiß gar nicht mehr, wie sehr sich Buch und Film unterscheiden, aber damals mochte ich ihn :)

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  2. Hallo Daniela,

    deine Imkerinfos finde ich als Zusatz zur Rezi richtig gelungen. Mir hat das Buch auch gut gefallen und ich fand den Erzählstil so richtig schön.

    Liebe Grüße
    Barbara

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    1. Hallo Barbara,
      es war auch für mich selber interessant, es war einfach cool, wie der Besuch so geklappt hat. Freut mich, dass es dir auch gefällt!

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  3. liebe Daniela,

    das war sicher eine super tolle Erfahrung für Dich.
    Aber ich muss jetzt mal doof nachfragen. Tracht heißt, die Bienenkönigin ist schwanger? Und die verschiednen Blüten, werden die vom gleichen Bienenstock geerntet?

    Liebe Grüße
    Lilly

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    1. Hallo Lilly,

      ja, das war toll.

      Tracht ist einfach nur ein anderer Name für "Nahrung". Es geht also darum, in welcher Reihenfolge Blumen/Blüten Nahrung (=Tracht) für die Bienen bereitstellen.

      "Schwanger" ist die Bienenkönigin ja eigentlich ständig. Sie legt ja ständig Eier.

      Vom Bienenstock ernten tut der Imker den Honig, und der wird von den Bienen von den Blüten gesammelt.

      Liebe Grüße
      Lilly

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  4. Liebe Daniela, das Buch habe ich letztes Jahr geschenkt bekommen, allerdings auf Englisch, so daß ich den Titel nicht gleich erkannt habe. Ich fand, es war eine sehr schöne Geschichte(und die fortwährende Erwähnung dieses Bananenpies hat mir total Appetit auf Bananenkuchen gemacht ;-)Ich habs gerne gelesen und ich würde es auch weiterempfehlen.

    Ich finde es toll, wie Marc imkert und mit den Bienen umgeht. Auch die naturnahe Bauweise, die er seinen Bienen ermöglicht, finde ich gut. Ich denke, bei den Bienen muß man wie bei der Massentierhaltung" darauf achten, daß man sie nicht über Gebühr ausbeutet, sondern ihnen genug zum (Über-)leben läßt. Ich kann mir vorstellen, daß diese Pushmethoden genauso wie die Ersatzzuckerstoffe, die Bienen anfälliger für Krankheiten machen. Umso schöner, wenn es Imker gibt, die auf ein gutes Gleichgewicht achten :-)

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    1. Hallo Almuth,
      es war in USA glaub ich lang in den Bestsellerlisten.
      Ja, ich fand auch interessant, dass es auch bei den Bienen das Äquivalent zur Massentierhaltung gibt - und eben eine "Exklusivhaltung".

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