Freitag, 22. Februar 2019

[Rezension] Frauen dürfen hier nicht träumen - Mein Ausbruch aus Saudi-Arabien, mein Weg in die Freiheit von Rana Ahmad

Kindle-Ausgabe, Rana Ahmad

Eine Autobiographie von Rana Ahmad, Atheistin aus Saudi-Arabien.

Rana ist Atheistin - und lebt in Saudi-Arabien. Eine Mischung, die sich ganz schlecht verträgt. Ex-Muslime in Saudi-Arabien haben genau drei Optionen: Eine Lüge leben; Todesstrafe oder Flucht. Rana entscheidet sich für die gefährliche Flucht. Heute lebt sie in Deutschland und kann von ihrem früheren Leben in Saudi-Arabien, ihrer Hinweg zum Atheismus/Humanismus und ihrer Flucht berichten.


Persönlicher Eindruck



Für westliche Leser ist das, was Rana aus ihrem Leben in Saudi-Arabien berichtet, schier unglaublich. Klar, so ungefähr wusste ich schon, dass die Frauen sich dort verschleiern müssen. Aber was es genau bedeutet und wie wenig Rechte Frauen dort haben, das war mir nicht klar.



Das schönste Erlebnis für die kleine Rana ist, als ihr ihr Vater für den Urlaub in Syrien ein Fahrrad schenkt. Jeden Tag fährt sie umher und spürt den Wind in ihrem Haaren. Doch dann beschließt der Großvater, dass es sich nicht schickt für ein Mädchen, Rad zu fahren. Er nimmt ihr das Rad weg und Rana muss auch ab sofort Schleier tragen.

Mit 14 muss Rana in der Öffentlichkeit auch den Nikab tragen, die sackartige Vollverschleierung. Rana hasst es. Unter dem Stoff kann sie kaum atmen, zumal es in Riad sowieso heiß ist. Schon wenn nur die Augenbrauen zu sehen sind, bekommen die Frauen Probleme mit der Religionspolizei.

Ohne männliche Begleitung auf der Straße sein, ist ebenfalls verboten. Genauso wie ein eigenes Konto haben oder sich mit Freundinnen verabreden. Die Lebenswelt der Frauen ist extrem eingeschränkt, am öffentlichen Leben nehmen sie so gut wie nicht teil. Heirat, Kinder und ein gottgefälliges Leben - das sind die Dinge, die den Frauen zustehen.

Doch Rana ist wißbegierig. Nach einer gescheiterten Ehe erlauben ihr die Eltern, Englisch zu lernen und in einem Krankenhaus zu arbeiten. Über das Internet erfährt Rana zum ersten Mal, dass es Menschen gibt, die nicht an Gott glauben. Sie ist zunächst tief geschockt, beginnt sich aber zu informieren - und der Gedanke findet einen Widerhall in ihr. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Humanismus anstatt dogmatischer Religionsregeln und Gott; das ist das, was Rana tief in sich fühlt. Doch als Atheistin in Saudi-Arabien, das ist lebensgefährlich. Rana denkt an Flucht, auch, damit sie endlich frei leben kann, für sich selbst entscheiden und die sein, die sie sein will. Ein Netzwerk aus Ex-Muslimen und Humanisten hilft ihr dabei, doch den Mut aufzubringen, alles was sie kennt, hinter sich zu lassen, muss sie selbst aufbringen.


Ranas Biographie hat mich bewegt. Ich war entsetzt über das Leben der Frauen in Saudi-Arabien. Ich bewundere Ranas Stärke und Mut, sich ihr eigenes Leben aufzubauen, ihren Werten zu folgen und in Freiheit zu leben.

Sie hat in der Türkei und in Deutschland zum ersten Mal erlebt, was Religionsfreiheit heißt. Die Freiheit, eine Religion zu haben oder auch nicht. Sie hat gläubigen Menschen erzählt, dass sie nicht an Gott glaubt und erfahren, dass sie dafür nicht abgelehnt wird oder missioniert, sondern dass das Gegenüber es einfach akzeptiert. Das war für Rana ein bewegender Moment und hat auch mir noch mal vor Augen geführt, wie wichtig religiöse Toleranz ist. Das bedeutet nicht, vor anderen Religionen zu kuschen, sondern es bedeutet "Leben und leben lassen".

Wir haben hier als Frauen die Freiheit, zu leben wie wir möchten, zu arbeiten als was wir möchten und an das zu glauben, das uns gut und richtig erscheint. Und auch Männer dürfen hier so sein, wie sie sind. Hier, das ist der Westen, mit seinen individuellen Rechten. Das ist etwas, das uns oft so selbstverständlich erscheint - doch wir müssen diese Freiheiten wertschätzen!


Noch ein Wort muss ich über Ranas Vater verlieren. Als einziger aus ihrer Familie steht sie noch mit ihm in Kontakt, Bruder und Mutter haben sie hingegen verstoßen. Er ist ein bemerkenswerter Mann. In einer Umgebung, die Frauen auf ihre Ehre, ihre Jungfernschaft und so weiter reduziert, und als gläubiger Moslem in einem Land, in dem Ex-Muslime zum Tode verurteilt, als männliches Familienoberhaupt also ist er all das nicht, wie man sich einen Mann so vorstellt. Stattdessen zeigt er wahre Stärke und Liebe; er hat, so Rana selbst, versucht, ihr Flügel zu geben in einem Land, in dem Frauen die Flügel gestutzt werden. Er weiß, dass sie nun anders glaubt, doch das ist ihm nicht wichtig. Er liebt sie so wie sie ist, er liebt seine Tochter und er wird sie immer lieben. Mir kamen die Tränen bei diesem Passagen. Es ist ganz klar, woher Rana ihre Stärke hat, sie ist die Tochter ihres Vaters.


Lesen oder nicht?


Diese Autobiographie bringt uns eine starke und beeindruckende Frau näher. Das Leben in Saudi-Arabien ist für Frauen schwierig und Atheisten droht die Todesstrafe. Ein Bericht aus einer anderen Realität. Und ein Plädoyer für die Freiheit! ⭐⭐⭐⭐⭐


Andere Meinungen

  • monerl: "Wenn nichts mehr bleibt, gibt es heutzutage noch das Internet, in das sich auch die Autorin geflüchtet hat und das letztendlich ihre Rettung war"
  • Smartis Welten: "Vor allem als Frau, die unter ganz anderen Umständen und nach anderen Regeln aufgewachsen ist, habe ich mitgefühlt, den Kopf geschüttelt und war beeindruckt von so viel Willenskraft und Mut" 
  • Fairytales: "Das Buch ist nervenaufreibend, bedrückend, brutal und ungeschönt. Es ist aber auch wichtig."

Bibliographische Daten


Titel: Frauen dürfen hier nicht träumen
Untertitel: Mein Ausbruch aus Saudi-Arabien, mein Weg in die Freiheit
Autor: Rana Ahmad
Co-Autor: Sarah Borufka
Genre: Autobiographie

Broschiert, 320 Seiten
Verlag: btb
Erscheinungsjahr/Ausgabe: Januar 2018
ISBN-13: 978-3442757480
Affiliate Link Amazon


2 Kommentare:

  1. Liebe Daniela,
    erst war ich im Umzugs-Vorbereitungs-Stress, dann im Nachumzugs-Stress und nun bin ich immer noch ohne Internet und kann nur im Büro mal länger surfen und kommentieren...

    Ich bin sehr froh, dass dich diese Autobiografie auch so mitreißen konnte! Auch mich hat der Vater sehr berührt, der immer noch so stark an der Liebe zu seiner Tochter hält, obwohl alle anderen sie verstoßen haben. Es war ein gefährliches Unterfangen, diese Flucht. Nur gut, dass die Autorin einen syrischen Pass hatte, sonst hätte sie es wohl nicht geschafft. Ich folge ihr auf FB. Ich bin froh, dass sie nun in Freiheit ist und leben kann, wie sie will. Doch ihre auf Äußerlichkeiten bedachte Art, die sie jetzt sehr exzessiv auslebt und zeigt, nervt mich zunehmend... :-D
    GlG, monerl

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    1. Hi monerl
      ja, cih weiß, was du meinst; das irritiert mich auch etwas. Vermutlich übertreibt sie es jetzt etwas, weil sie es nun ausleben kann.

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