Freitag, 10. August 2018

[#WritingFriday] PET

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PET - Unverwüstlich



Schreibaufgabe: Beschreibe einen Tag im Leben einer Plastikflasche.


Plastikflaschen, sie sind überall. Plastik, das ist eigentlich nicht so ganz korrekt. Korrekt heißt es: Polyethylenterephthalat, oder auch: PET. Die PET-Flasche, das hört sich doch gleich viel gehobener an, oder nicht?

Abermillionen dieser PET-Flaschen gibt es auf der Welt. Ein Siegeszug sondersgleichen. Sehen wir etwas genauer hin.

Der Ozean - eine unendliche erscheinende, glatte Wasserfläche. Aber an dieser Stelle, an die wir hinschauen, ist sie durchbrochen von einem künstlichen Bauwerk, dass auf vier Stelzen aus dem Wasser ragt. Es ist ein imposantes Beispiel menschlicher Ingenieurskunst. Männer, und einige Frauen, mit Helmen und in orangenen Overalls, laufen darauf herum und arbeiten. Sie verdienen gutes Geld und sind ganz freiweillig mit an Bord. Die Bohrplattform fördert Öl - das Ausgangsprodukt unserer PET-Flasche. Treibhausgase werden dabei freigesetzt.

Die Erde, von oben gesehen. Wir sehen kleine, regelmäßige Quadrate mit einem Kreis in der Mitte. Eine Raffinerie. Hier wird das Roh-Öl weiterverarbeitet. Und dann weitertransportiert. Neugierig fahren wir mit zur nächsten Fabrik. Nach dutzenden Arbeitsschritten liegen kleine Plastikpellets vor. Jetzt haben wir schon fast eine Flasche. Noch eine weitere Fabrik, die Pellets werden zu Flaschenrohlingen.

Eine weitere Fabrikhalle, weiß und nüchtern glänzt das Flachdach in der Sonne. Im Inneren ein Labyrinth von Förderbändern. Und hier sehen wir die Flaschenrohlinge wieder. Bis zu diesem Zeitpunkt hat unsere "Baby-Flasche" schon einen weiten Transport hinter sich und wurde unter großem Energieaufwand zu diesem Rohling geformt. Fast lächerlich erscheint da die Flüssigkeit, mit der sie gefüllt wird: Wasser, mit und ohne Blubber, gefärbte Säfte mit Zucker, Cola, Bier, Schweppes und anderes, die Herstellung erscheint im Vergleich zum Rohling fast unverschämt einfach. Beim Abfüller wird der Flaschenrohling zu einer Flasche geformt und mit diesen Flüssigkeiten versetzt - die PET-Flasche ist geboren.

Frühmorgens, ein etwas schäbiger Parkplatz hinter einem Supermarkt, der Hintereingang für die Waren. Es riecht etwas nach Urin und seltsame Flecken sind auf dem Pflaster zu sehen. Ein LKW bugsiert sich, nervtötend piepsend, an die Abladefläche heran. Unter anderem: Kartons und Paletten mit PET-Flaschen. Sie stehen hier schweigend in Reih und Glied und harren dem, das kommen mag. Wie vieles im Leben gibt es auch hier zwei Klassen: Die Einwegs und die Mehrwegs. Die Einwegs sind dünner, sie werden nicht mehr recycelt werden, sondern gleich zu Müll. Die Mehrwegs - sie kann man mehrere Male recyceln, also schreddern, wieder zu Pellets machen und daraus, zusammen mit frischen Pellets, wieder neue PET-Flaschen zeugen. Oder sie werden zu schönen Fleece-Decken.

Der Supermarkt hat geöffnet, die Menschen strömen herein. Wasser in Glasflaschen oder in einer Plastikflasche? Erna bevorzugt eigentlich Glas, nur, die Beine machen seit einiger Zeit nicht mehr so richtig mit. Das Plastik ist viel leichter, das bekommt sie auch noch allein in ihre Wohnung getragen. Auch der junge Vater neben ihr greift zur PET. Sein Kind ist noch klein und ungeschickt, er will sich nicht ausmalen, wenn es die Glasflasche zu Boden wirft und diese zerbricht. Lieber die unzerbrechliche PET. Das Kind gluckst, der Vater gibt ihm eine der kleineren PETs in die Hand zum Spielen. Mit großen Augen schaut das Kind nach oben zum Vater und speichelt dann die Flasche voll.

Draußen ist es ein schöner Tag, ein schöner Samstag Vormittag. Ein Radfahrer radelt vorbei. Marlin ist Mitte Vierzig und achtet auf ihren Körper. Sie ist gerne draußen, fährt viel Rad. Und sie achtet darauf, viel zu trinken. Sie füllt für ihre Radtouren immer eine 0,75 Liter PET-Flasche mit Wasser. Das ist genau die richtig Menge an Wasser.

Etwas weiter nördlich, Heavy-Metal-Bässe schrammen über das kleine Örtchen Wacken. Herbert liegt etwas ermattet, aber glücklich, neben seinem schnarchenden Kumpel Daniel. Herbert trinkt Bier, aus einer PET-Flasche. Die leeren Flaschen wirft er sehr brav in den Sammelbehälter. Nein, sagen die Wackener den angereisten Journalisten, die Heavy-Metal-Fans sehen vielleicht rebellisch aus, aber es gibt wirklich keinerlei Probleme mit ihnen. Sehr nette Leute seien das und die meisten würden auch sehr gekonnt ihren Müll trennen und überhaupt müsste man sie jetzt entschuldigen, sie müssen nämlich noch einen Kuchen backen, ja, vor allem Apfelkuchen sei doch sehr beliebt bei den Fans und ginge weg wie geschnitten Brot, einen schönen Tag dann noch.



Verlassen wir Deutschland und gehen nach Togo. Auf staubiger roter Erde liegt eine ganze Battaillon PET-Flaschen auf dem Boden. Darinnen Flußwasser, mit Mikroben. Das UV-Licht dringt durch die PET-Flasche und tötet die Mikroben, bevor diese die Menschen krank machen können. Zwei barfüssige Jungen hocken neben der Sammlung von PET-Flaschen. Ihre Mütter sind froh, Durchfälle wegen verunreinigtem Trinkwasser, das früher so manchen kleinen Kindern das Leben kostete, sind Geschichte, seit sie das Wasser erst einige Stunden in den Flaschen in der Sonne liegen lassen.

Von Togo aus gehen wir wieder hinaus auf den Ozean, wo unsere Geschichte begonnen hat. Wir schauen uns ein anderes, künstliches Gebilde an. Doch im Gegensatz zur Bohrplattform ist ein Zeugnis menschlichen Könnens, sondern eher ein Zeugnis menschlichen Versagens. PET-Flaschen und anderer Plastikmüll, entsorgt und weggeworfen, ins Meer gespült und über Bord gegangen, die eine riesige künstliche Insel bilden und sich sanft im Meer heben und senken. Hier landen sie also und werden langsam im Lauf von Jahrhunderten zu Plastikkügelchen zerrieben.

Das Plastik ist unverwüstlich.




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Über den #WritingFriday:  Elizzy von Readbooksandfallinlove hat ihn ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Eine Geschichte, ein paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt -  alles ist möglich.

Die Themen für den August

  • Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz „Luna war so verliebt aber niemand hätte damit gerechnet, dass…“ beginnt.
  • Beschreibe einen Tag im Leben einer Plastikflasche.
  • Schreibe eine Geschichte zu folgender Situation; Du betrittst einen schummrigen, alten Laden und kaufst …(Platz für eigene Idee)… dafür wirst du dann aber verfolgt.
  • Schreibe eine Danksagung an dein Bücherregal.
  • Du bist Paartherapeutin, erzähle von einer Sitzung.

6 Kommentare:

  1. Hallo Daniela!
    Toll wie du dieses Thema so ernst aufgegriffen hast. Es ist ein wirklich großes Problem, dieses uns überall umgebende Plastik. Schön umgesetzt!

    Liebe Grüße!
    Gabriela vom Buchperlenblog

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    1. Hallo Gabriela,
      das lustige dabei ist, dass es erst gar nicht so ernst werden sollte, das Thema hat sich aber verselbstständigt...

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  2. Hallo Daniela,

    die kritische Auseinandersetzung mit PET fand ich äußerst wichtig und richtig. Was ich anders sehe ist die These zu den Mehrwegflaschen, denn sie werden wiederbefüllt bis zu 20 mal und nicht gleich recycelt. vgl. Umweltbundesamt . Ansonsten toll recherchiert und kritisch geschrieben.

    Liebe Grüße
    Sebastian

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    1. Hi Sebastian, danke für den Link, da werd ich dem Umweltbundesamt glauben!

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  3. Hey Daniela,
    dein Text könnte eine Nacherzählung einer Folge "Sendung mit der Maus" mit kleinem Twist sein. Dadurch, dass du etwas erheiternd/sarkastisch schreibst, ist das Ende ein schöner Aufwachmoment.
    Grüße, Katharina

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