Donnerstag, 5. Dezember 2019

[Rezension] Christina von Schweden - Eine Hosenrolle für die Königin von Dario Fo

Die rebellische Königin.

Zusammenfassung  


Christina von Schweden ist eine "unmögliche Königin": hochgebildet, rebellisch und unberechenbar. Sie weigert sich zu heiraten, hat Affären und korrespondiert mit Intellektuellen wie René Descartes, den sie auch an den Stockholmer Hof einlädt. Nach ihrer Abdankung 1654 geht sie nach Rom und wird zu einer wichtigen Förderin von Wissenschaft und Künsten.

Anhand geschichtlicher Zeugnisse und Chroniken, vor allem aber mit seiner eigenen Fantasie, erzählt Dario Fo das Leben einer selbstbewussten Frau, die mit den Konventionen ihrer Zeit bricht, und erfindet sie dabei ganz neu.


Persönliche Meinung


Über Christina von Schweden hatten wir in unserem Schwedischkurs einen kleinen Text gelesen. Unser gesamter Kurs war fasziniert und wir Teilnehmer schauten danach, was es sonst noch an Material zu dieser großartigen, aber uns bisher unbekannten Frau gibt.



Nun also dieses Buch. Dario Fo zeichnet hier, in einer Mischung aus Briefen von Christina selbst, Erzählungen und sachbuchhaften Einwürfen, das Leben von Christina nach. Für mich passte dieser Stil hervorragend, ich bin geradezu durch die Seiten geflogen.

Das faszinierendste ist natürlich das Suject selbst: Christina von Schweden lebte von 1629 bis 1689 und war von 1632 bis 1654 Königin von Schweden. Sie war eine herausragende Persönlichkeit, vielfältig gebildet und interessiert, durchsetzungsfähig, entsprach so gar nicht dem typischen Bild einer Frau. Sie kleidete sich bspw. nicht wie eine Frau, sondern zog Hosen an, schnitt sich sogar das Haar kurz.

Sie hatte Affären, vor allem mit Frauen, aber auch mit starken und intelligenten Männern, und heiratete zeit ihres Lebens nicht. Ihre damalige Absage an den Hof, der sie zu einer Heirat drängen wollte, ist überliefert und ein frühes und eindringliches Zeichen der Selbstermächtigung und des Feminismus:

Doch ich entgegne Euch, dass mein Vater Gustav Adolf [...] in einem letzten Dekret festgelegt hat, dass ich Königin sein kann, ohne verheiratet zu sein.
Und warum will sie nicht heiraten, werdet Ihr Euch jetzt fragen. Im allerältesten Gesetz, das Gott selbst erlassen hat, in der Bibel also, steht geschrieben, dass du, Frau, dazu bestimmt bist, deinem Mann als Stütze zu dienen, ihm ohne Widerrede zu gehorchen, ihm die nötigen Kinder zu gebären, bei der Geburt vor Schmerzen zu schreien und sofort danach zu verstummen. 

Nun, ich bedaure, doch das akzeptiere ich nicht. Dieses Gesetz ist ungerecht, es ist ein infamer Akt der Gewalt gegen die Frau, selbst wenn sie als Königin anerkannt wird.
Und der Gipfel der Infamie ist, mir Vorschläge zu machen, mir aber letztlich das Recht zu verweigern, eine Wahl zu treffen. Unter Wahl verstehe ich nämlich nicht, dass ich mir unter denen, die Ihr mir anbietet, den Besten aussuchen darf, sondern dass ich selbst entscheiden kann, mit wem ich mein Leben verbringen will: mit einem Mann also, nicht meinem Herrn. Ich möchte unsterblich in ihn verliebt sein, in seine Stimme, sein Lachen und seinen Körper, wenn ich ihn in meinem Bett umarme.

 Wow, oder? Und Christina setzt noch einen drauf:

Was ich ablehne ist die Ehe, wie Ihr sie versteht. Ein Bauer erwirbt das Stück Land, das er bebauen will, erst, nachdem er ein wenig Erde in den Mund genommen, zerkaut und hinuntergeschluckt hat. Am Geruch und am Geschmack erkennt er den Wert des Bodens. Dann bearbeitet er ihn mit Pflug und Hacke, düngt und sät und bewässert ihn und benetzt ihn mit seinem eigenen Schweiß. Und wenn dann alles sprießt und gedeiht, dankt er Gott für seine Großzügigkeit.
Nun, in diesem Gleichnis bin ich der Acker, und ich will nicht gepflügt werden, ohne mir den ausgesucht zu haben, der mich mit seinem Pflug bearbeiten soll.

Schockiert? Tut mir leid, mehr habe ich nicht zu sagen, und ich beabsichtige auch nicht, Fragen zu beantworten.

Sie förderte Kunst und Kultur, korrespondierte mit führenden Köpfen ihrer Zeit und holte diese auch als Gäste an den schwedischen Hof, z.B. Descartes. Sie setzte sich für religiöse Toleranz ein.

Und gerade als sie als Königin anerkannt wurde, beim Volk extrem beliebt, tat sie wieder etwas komplett unerwartetes, trat zum Katholizmus über, dankte ab und zog nach Rom, wo sie sich ganz der Kunst widmete. Sie ist im Petersdom begraben.


Das unkonventionelle dieser Frau, ihre Lebendigkeit und starke Persönlichkeit, die aus jeder geschichtlichen Aufzeichnung über sie spricht, hat mich, wie viele andere, angezogen.


Einige Kritiken an der Umsetzung von Dario Fo habe ich. Er legt einen zu großen Wert auf das Theater. Teilweise sind ganze Passagen aus Theaterstücken abgedruckt, die sich die Königin ansieht. Es ist gewollt, Dario Fo will so die Gemeinsamkeit zwischen Schauspielern, die in eine Rolle schlüpfen und Christina betonen, die auch in die Rolle der Königin schlüpft, aber viele andere Rollen bewusst ablehnt, z.B. die einer verheirateten heterosexuellen Frau.

Ich hätte gern auch noch etwas mehr über Christinas Regentschaft gelesen, über ganz konkrete staatsmännische Herausforderungen. Alles in allem ist es ein höchst unterhaltsamer, gut geschriebener Einblick in das Leben von Christina von Schweden, aber natürlich nicht mit einer Biographie vergleichbar. Auch fand ich den Preis für das doch recht dünne Heft etwas zu hoch.

Dennoch überwiegen für mich die positiven Aspekte, ich nehme einiges aus diesem Buch mit.


Lesen oder nicht?

Ein toller Roman über eine in Deutschland eher unbekannte Frau! Christina von Schweden faszinierte mit ihrer Persönlichkeit und ihren individuellen Entscheidungen. ⭐⭐⭐⭐⭐

Bibliographische Daten


Titel: Christina von Schweden - Eine Hosenrolle für die Königin
Autor: Dario Fo

Ausgabe: Kindle
Seitenzahl (Print): 177
Verlag: Lindemanns Bibliothek
2. Auflage 2019
ISBN-13: 978-3-88190-754-5

Aus dem Italienischen






2 Kommentare:

  1. Hallo Daniela,

    die Bemerkung über eine Eheschliessung von Christina ist erstaunlich und gefällt mir gut. Eine wirklich ungewöhnliche Frau und das war zu ihren Lebzeiten sicherlich sehr aussergewöhnlich.
    Ich verstehe deine Kritik an diesem Buch, ich mag Biografien in letzter Zeit sehr gern.

    Danke für die Vorstellung,
    liebe Grüße Barbara

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    Antworten
    1. Hallo Barbara,
      ja, ich war auch erstaunt, was sie über die Ehe denkt, vor allem zu dieser Zeit. Eine tolle Frau! Sie ist nicht umsonst (in Schweden udn Italien) eine Legende.
      LG
      Daniela

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