Mittwoch, 21. November 2018

[Rezension] Das geheime Leben der Bäume von Peter Wohlleben

Hardcoverausgabe
Das geheime Leben der Bäume

So fängt es an


Als ich meine berufliche Laufbahn als Förster begann, kannte ich vom geheimen Leben der Bäume ungefähr so viel wie ein Metzger von den Gefühlen der Tiere.


Woher


Rezensionsexemplar vom Bloggerportal, dem ich herzlichst für die Möglichkeit danke, dieses großartige Buch zu lesen und zu bewerten.

Zusammenfassung


Ein Wald - nur eine Ansammlung von Bäumen, von potentiellen Holzlieferanten? Kann man so sehen, aber man kann auch genauer hinsehen und das geheime Leben der Bäume entdecken. Der Förster Peter Wohlleben erzählt faszierendes aus dem Wald. Bäume kommunizieren miteinander, gehen Freundschaften ein, versorgen ihren Nachwuchs und kranke Artgenossen. Sie reagieren auf Wassermangel, Stürme, Insektenbefall oder plötzliche Lichtungen. Dabei sind die individuellen Unterschiede recht groß, es gibt durchaus "forsche" und "zurückhaltende" Charaktere unter den Baäumen. Peter Wohlleben eröffnet uns wirklich eine neue Welt, verknüpft dabei wissenschaftliche Erkenntnisse mit seiner eigenen jahrzehntelangen Erfahrung mit dem Wald.




Persönlicher Eindruck



Das geheime Leben der Bäume ist für mich DAS Buch des Jahres. Es erzählt faszinierende Dinge über Bäume, über das ganze Ökosystem Wald. Bäume sind Lebewesen. Wir erkennen das oft nur nicht, weil sie so langsam wachsen. 80 Jahre sind für einen Baum gar nichts, da ist er erstmal seiner Kinderstube entwachsen. Und Bäume sind Individuen, sie haben charakterliche Unterschiede. Bei gleichen Bedingungen wirft der eine früher, der andere später seine Blätter ab, oder bildet bei plötzlichem Lichteinfall Äste weit unten am Stamm (was an sich eine recht blöde Idee ist)
Dass ein solches Verhalten tatsächlich individuell und folglich eine Charaktersache ist, können Sie bei Ihrem nächsten Waldspaziergang selbst überprüfen. Schauen Sie sich die Bäume an, die um eine kleine Lichtung herum stehen. Alle haben den gleichen Anreiz, Dummheiten zu machen und neue Äste am Stamm zu bilden, doch nur ein Teil von ihnen erliegt der Versuchung.

Für mich, der ich mich schon als Kind sehr mit dem Wald verbunden fühlte und der ganz traurig war, wenn die Erwachsenen "Holz machten", also einen Baum fällten (wie kann man da bloss weinen?), für mich war dieses Buch die Bestätigung meiner Gefühle. Für mich war ein Baum immer ein Individuum, ein großartiges und majestätisches Lebewesen. Und nicht nur eine Rohmasse. Wir bringen Tieren schon Respekt entgegen, immer mehr achten beim Kauf auf Bioware. Aber für den Wald gilt das nicht. Monokulturen mit angepflanzten Bäumen anstelle eines natürlichen Urwalds; das macht mich traurig. Peter Wohlleben hat gegen die Holznutzung an sich nichts auszusetzen, aber plädiert:
Die Frage ist nur, ob wir uns über das notwendige Maß hinaus aus dem Ökosystem Wald bedienen und ob wir Bäumen dabei, analog zur Tiernutzung, unnötige Leiden ersparen. Wie bei jenen gilt dann genauso, dass eine Nutzung von Holz in Ordnung ist, wenn die Bäume artgerecht leben durften. Und das heißt, dass sie ihre sozialen Bedürfnisse ausleben können, dass sie in einem echten Waldklima mit intakten Böden wachsen und ihr Wissen an die nächsten Generationen weitergeben können. Zumindest ein Teil von ihnen sollte in Würde alt werden dürfen und schließlich eines natürlichen Todes sterben.
Wohlleben führt dann weiter aus, dass das bei der Plenterwirtschaft der Fall ist. Neueste Erkenntnisse zum Baumwachstum haben auch eine alte forstwirtschaftliche Lehrmeinung widerlegt - je älter ein Baum nämlich ist, umso schneller legt er an Masse auch. Und auch, warum wir uns in naturnahen Wälder wohl fühlen und in Forsten eher weniger, erklärt Wohlleben anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Daneben erzählt er aber auch von seiner eigenen Erfahrung in "seinem" Wald. Mich hat es ungeheuer bewegt, dass es ihm gelingt, mit seinem Wald Profit zu machen ohne dabei Bäume zu fällen.

Anhand der obigen Zitate sieht man schon, dass im Buch viel Sachwissen vermittelt wird. Soziale Bedürfnisse? Ja, gerade in einem Buchenwald herrscht ein echtes Nehmen und Geben. Nährstoffe z.B. werden gleichmäßig unter allen Bäumen verteilt. Baumkinder werden zu einem langsamen Wachstum "erzogen" (so sind sie als Erwachsene stabiler), es bilden sich Freundschaften zwischen benachbarten Bäumen (sie wachsen so, dass sie dem anderen kein Licht klauen), aber manche können sich auch nicht leiden und versuchen, sich gegenseitig Licht abzuluchsen. Bäume kommunizieren über die Wurzeln und über Duftstoffe miteinander. Besonders gefallen hat mir auch das Kapitel, in dem erklärt wird, wie kleine Buche heranwachsen und wieviel Zeit es brauchen kann. Am liebsten würde ich ALLES zitieren, ich hab so viel Neues erfahren (obwohl ich schon einiges wusste) - geht und kauft euch dieses Buch!

Mir gefiel auch, dass Wohlleben die Bäume so vermenschlicht hat. Noch nie zuvor habe ich gehört, dass Bäume Freundschaften eingehen, als Beispiel. Aber warum krampfhaft nach "künstlichen" Formulierungen für das Phänomen suchen und so die Bäume "entseelen"?

Noch ein Wort zum Cover: Für mich hat es leider keinen Eyecatcher-Effekt und erst nach dem Lesen konnte mich die Stimmung des Covers einfangen. Da gefiel mir der Umschlag des Hardcovers schon besser, der in Holzoptik gehalten ist. Was für ein schönes Detail.


Lesen oder nicht?


Ich würde dieses Sachbuch so gerne zur Pflichtlektüre an allen Schulen machen und es in alle Haushalte verteilen. Die Botschaft ist so wichtig. Bäume sind Lebewesen, ihre Biologie, ihr Charakter und ihr Verhalten sind individuell. Der Wald als Ökosystem an sich ist so wichtig für unser Leben, für unser Klima. Vielleicht wird die Zeit kommen, wo sich die Wälder wieder natürlich verhalten dürfen und wir eine Anzahl davon einfach als Kraftspender, Begräbnisstätten, Waldkindergärten usw. nutzen.

Gesamtbewertung:  ⭐⭐⭐⭐⭐ Unglaublich lehrreiches und weltbildveränderndes Buch!! Es gibt in meiner Skala gar nicht so viel Sterne, wie ich vergeben möchte...



Das meinten andere


  • ... to do


Bibliographische Daten


Titel: Das geheime Leben der Bäume
Untertitel: Was sie fühlen, wie sie kommunizieren - die Entdeckung einer verborgenen Welt

Autor: Peter Wohlleben
Genre: Sachbuch

Ausgabe: Gebundenes Buch
Seiten: 224
Verlag: Ludwig Buchverlag 
Erscheinungsjahr/Auflage: 25. Mai 2015
ISBN: 978-3453280670
Affilitate Link: Amazon





Ich freue mich über eure Kommentare, hinterlasst mir gern den Link zu eurer Rezension.

6 Kommentare:

  1. Hi Daniela,
    ich will dieses Buch schon sooo lange lesen... ich habe es in gedruckter Form und als Audiobook. Aber irgendwie greife ich immer zu anderen Werken. Sachbuch oder Roman? Immer gewinnt der Roman. Dabei weiß ich, dieses Buch muss großartig sein und du bestätigst diesen Eindruck. Eine mitreißende Rezension, die hoffentlich bis zum Abend (Hörbuchzeit!) bei mir nachklingt. ;-)
    Liebe Grüße
    Alex

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    1. Hallo Alex,
      was das geheime Leben der Bäume anbelangt, das kann sich kein Romanautor ausdenken, so fantastisch und für uns ungewohnt ist das...

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  2. Ein wunderbares Buch, absolut empfehlenswert. Danke für die Rezension.

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  3. Liebe Daniela,

    man merkt, wie sehr es Dich bewegt und berührt! Und nach Deiner Rezi möchte ich es auch gerne lesen. Ich hatte übrigens "Das Geheimnis der der Natur" von ihm angefangen, was ich Dir geschrieben hatte und habe es mir jetzt nochmal ausgeliehen.

    Liebe Grüße
    Petrissa

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    1. Hi Petrissa,

      nach dem Buch geht man doch nochmal mit ganz anderen Augen durch einen Wald; Risse, Schrunden, schiefe Wuchsformen - jetzt hab ich zumindest eine Ahnung, woher sie stammen könnten. Oder ich seh zwei Bäume (Eiche und Buche), die wirklich um ihren Platz nebeneinander ringen, zahllose Äste zum Nachbarbaum hin wachsen lassen - Feindschaft, würde Peter Wohlleben etwas plakativ sagen. Die Eiche hat wohl "verloren", dann sie hat stärkere Äste zu der Seite hin ausgebildet, wo die Buche nicht ist und versucht so, "auszuweichen".
      Und daneben zwei Buchen, sehr harmonisch, die sich zusammen dem Licht hochstrecken und keine kommt der anderen groß ins Gehege.
      Die besten Geschichten schreibt das Leben...

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