In "Maus" verarbeitet Art Spiegelmann die Geschichte seines Vaters Wladek. Wladek Spiegelmann lebte in Polen, war Jude, besaß eine Fabrik. Als die Nazis das Land besetzten und in verschiedene Zonen aufteilten, begann für die Familien Spiegelmann und für die Familie seiner Frau Anja das Unglück. Entrechtung, Ghetto, Deportation ... schrittweise kommt das Grauen über die polnischen Juden.
Wladek ist ein Überlebender von Auschwitz. Viele andere hatten dieses Glück nicht.
Für seinen Sohn ist dieser sehr persönliche Comic auch ein Versuch, seinen Vater zu verstehen. Denn der ist ein schwieriger Charakter, extrem geizig, umständlich, streitsüchtig mit seiner zweiten Ehefrau. Hat das Trauma Auschwitz ihn so werden lassen? Art kennt viele Auschwitz-Überlebende, die Freunde seiner Eltern, aber sein Vater, so findet er, ist schon ein besonders hartnäckiger Fall.
Wobei ich den Vater zwar etwas schwierig fand, das Zusammenleben mit ihm ist beileibe nicht einfach, aber dennoch war er mir in seiner Schwierigkeit sympathisch. Und immerhin erinnert er sich seinem Sohn zuliebe wieder an Auschwitz und die NS-Zeit und den Krieg, denn lieber wäre es ihm gewesen, er könnte alles vergessen.
So ist "Maus" nicht nur ein Bericht über Auschwitz, sondern auch eine Studie über das Überleben der Opfer danach. Das Trauma Auschwitz manifestiert sich auch in den Kindern der Überlebenden, wie in Art, der seinen Vater verstehen will und selber Depressionen entwickelt.
Ausschnitt aus dem Buch |
Die Umsetzung von Art ist berührend, das Tempo leise. Der Comic bietet viel Lese- und Schaustoff, und man sollte sich auch dafür Zeit lassen. Der Zeichenstil ist schwarz-weiß, kleinformatig, sehr genau. Art zeichnet die Juden als Mäuse oder Ratten, in einer Satire auf die Nazis, die die Juden ja als Ratten verunglimpft haben. Die Deutschen werden als Katzen, die Polen als Schweine gezeichnet. Besonders berührt hat mich eine Stelle, als Wladek versuchte, sich zu verstecken im besetzen Polen und Art dies mit einer Schweinemaske dargestellt hat, die sich Wladek aufsetze.
Dieser Comic in seiner anschaulichen und persönlichen Weise hat mir das Thema Auschwitz und die Gräuel, die Verbrechen der Nazis, nochmal näher gebracht. Ja, wir haben darüber viel erfahren in der Schule und über die Medien, aber man muss sich das immer wieder vergegenwärtigen und man darf nicht vergessen. Wo und wie begann der Kipppunkt? So idyllisch fast startet der Comic - und auf einmal watet Wladek in Auschwitz über hunderte Leichen. Es ist erschreckend.
#gegendasvergessen
Apropos Comic ... vielleicht sollte man es eher Graphic Novel nennen; denn es ist ein ernsthafter Comic. Vielleicht auch eher ein bebildeter Roman oder eine Drehbuchvorlage. Und in einem ersten Reflex möchte ich vorschlagen, dieses Werk an Schulen zu lesen (Pflichtlektüre ist so ein hässliches Wort...). Es ist für alle Schulformen geeignet aufgrund der Comic-Form; ich denke hierbei nicht nur an Hauptschulen, sondern auch bzw. an Berufsschulen für ausländische Umschüler.
Lesen oder nicht?
Ein wichtiges Werk. Stilistisch überzeugend. Inhaltlich berührend. Für mich eines DER Werke, eines meiner Lesehighlights 2019. ⭐⭐⭐⭐⭐Weitere Meinungen
Bibliographische Daten
Titel: Die vollständige Maus
Untertitel: Maus: Geschichte eines Überlebenden
Enthält die beiden Bände "Mein Vater kotzt Geschichte aus" und "Und hier begann mein Unglück"
Untertitel: Maus: Geschichte eines Überlebenden
Enthält die beiden Bände "Mein Vater kotzt Geschichte aus" und "Und hier begann mein Unglück"
Ausgabe: Print
Seitenzahl: 295
Verlag: Fischer Verlag, 2013
ISBN: 978-3-596-18094-3
Original: Maus. A Survivor's Tale I: My Father Bleeds History und Maus. A Survivor's Tale II: And Here My Troubles Begann
Originalsprache: Englisch
erschienen 1973 und 1986
Übersetzt von Christine Brinck und Josef Joffe
Amazon (Affiliate Link)
Woher: Gebraucht gekauft nach der Rezension von monerl
Hallo Daniela,
AntwortenLöschenich habe bislang noch nicht wirklich viele Graphic Novels gelesen. Ich finde es aber gar nicht schlecht, dass der Autor sich für dieses Format entschieden hat. Es hört sich so an, als wäre die Geschichte sehr für den Schulunterricht geeignet. Ich denke Comic/Graphic Novel-Formate kommen bei den Schülern gewiss sehr gut an.
Zu dem Vater: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Zeit in Auschwitz ihn verändert hat. Ich könnte mir auch vorstellen, dass einige Charaktereigenschaften auf diese Zeit zurückzuführen sind. Ich finde es schön, dass du trotz der Schrulligkeiten dennoch gut mit dem Charakter klargekommen bist. Eine sehr interessante Buchempfehlung
Ganz liebe Grüße
Tanja :o)
Hallo Tanja
Löschenich denke auch, dass Auschwitz an seinem schwierigen Charakter einen großen Anteil hat, auch wenn der Sohn da seine Zweifel hat.
Es ist wirklich schade, dass "Maus" in Deutschland so relativ unbekannt ist. Ich hatte es vor Jahren schon mal gesehen, glaube ich, aber so richtig aufmerksam bin ich erst durch monerl geworden.
LG
Daniela
Liebe Daniela,
AntwortenLöschenich bin sehr froh, dass auch dich dieses Buch so überzeugen konnte. Dein Vorschlag zur Schullektüre finde ich sehr gut. Über dieses Buch und Medium könnten sich Schüler dem Thema sehr gut nähern, ohne gleich mit schwierigen Bildern von KZ-Häftlingen überfordert zu werden. Auch ich finde schade, dass es kaum einer kennt.
Natürlich hat Auschwitz das aus dem Vater gemacht, was er dann war. Es ist kaum vorstellbar, was er und andere Überlebende aushalten mussten. Das MUSS verändern. Dabei ist er ja noch lebensbejahend geblieben. Ich finde, dass der Autor mit seinem Vater ziemlich streng ins Gericht gegangen ist.
Ich habe deine Rezi bei mir nun auch verlinkt.
GlG, monerl
Hi monerl,
Löschenja, er war relativ streng mit seinem Vater... Wie Auschwitz auch ihn geprägt hat, obwohl er doch selbst nie dort war und danach geboren wurde; das war schon eindrücklich.
Danke für die Verlinkung.
LG
Daniela
Hallo Daniela,
AntwortenLöschenich bin schon neugierig auf das Buch und muss es mir mal von Monerl leihen.
Das mit der Schullektüre ist eine gute Idee. Ich hoffe sehr, dass heute in der Schule generell GN gelesen werden!
Liebe Grüße
Petrissa
Hi Petrissa,
Löschenich kenne leider noch gar keine Kinder im Alter, in dem man so was lesen könnte.
Bin gespannt, was du über das Buch suchst.
LG
Daniela