Freitag, 13. September 2019

[Rezension] Meine Lieben! von Willi Layer und Ullrich Hascher

Meine Lieben Cover
Willi Layer ist 1914 geboren. Er arbeitete in einer Bank in Villingen, bis er als erster von den Brüdern 1939 in die Wehrmacht eingezogen wurde. Aus seiner Zeit in der Wehrmacht schrieb er Briefe an seinen ältesten Bruder und an seine Eltern.  1943 starb er im Kriegsgefangenlager in Jelabuga, Republik Tatarstan in Russland.

Jahre später findet Ullrich Hascher die Briefe von Willi Layer bei seinem Opa, dem Vater seiner Mutter. Er beginnt sich für seinen verstorbenen Großonkel zu interessieren. Um die Briefe zu lesen, die in Sütterlin verfasst sind, hat Ullrich Hascher sogar einen Volkhochschulkurs besucht. Dann hat er über fünf Jahre lang peu á peu die Briefe transkripiert und recherchiert. Sogar das Grab seines Großonkels macht e er ausfindig und besuchte es zusammen mit seinem Vater. Und schließlich versammelt er Willi Layers Briefe plus Begleitmaterial in dieser Brief-Biographie.



Das Buch "Meine Lieben" beinhaltet alle Briefe, die mein Großonkel Willi Layer an seinen älteren Bruder und dessen Frau, meine Großeltern, und z. T. auch an seine Eltern, während seiner Dienstzeit in der Wehrmacht von September 1939 bis Dezember 1942 geschrieben hat.

Die Langeweile an der Westfront in den ersten Kriegsjahren, die Hoffnung auf eine Teilnahme an den Eroberungsfeldzügen und die Schilderungen von Verwundungen sowie der feste Glaube an den Sieg über die Sowjetunion werden ohne Pathos dargestellt. Die über 80 Briefe und Postkarten in den 3 Jahren und 3 Monaten lassen Einblicke in die wehrdienstliche und persönliche Lage meines Großonkels Willi Layer zu.

Das damalige Niederschreiben der persönlichen Eindrücke und der weltpolitischen Situation durch einen Zeitzeugen, der nicht über das heutige historische Wissen über den II. Weltkrieg verfügt, kann auch dazu führen, dass eine in heutiger Zeit gebildete Meinung über den deutschen Soldaten der Wehrmacht zu hinterfragen ist. Eigene Fotoaufnahmen aus dem Fotoalbum meines Großonkels ergänzen seine Schilderungen.

Persönlicher Eindruck


Dani und Ulli mit Buch
Der Buchvogel und der Herausgeber persönlich


Den Titel fand ich einfach passend, denn mit "Meine Lieben!" begann Willi stets seine Briefe an Bruder und Schwägerin. Auch das Cover finde ich einfach nur schön. Die Schriftart und -größe ist gut lesbar und erinnert durch die Seitenplatzierung mit dem ausreichenden Weißraum auch sehr an Briefe. Generell macht es einen wertigen Eindruck, was bei BoD ja nicht immer der Fall ist. Nur einige der Dokumente im Anhang könnten besser lesbar sein.


Die Briefbiographie ist spannend und authentisch. Willi Layer ist sehr unkritisch gegenüber dem Krieg, ja, es herrscht anfangs sogar eine gewisse Kriegsbegeisterung. Eine Fortbildung macht Willi dienstbefließen, aber viel lieber wäre er jetzt an der Front und würde einen unmittelbaren Dienst am Vaterland machen.

Nun ist ja der Balkanfeldzug auch wieder rasch und glorreich zu Ende gegangen. Man ist nun gespannt, wo es zur neuen Schlacht kommt. Hoffentlich komme ich mit meiner Einheit auch noch zum Einsatz. [Brief vom 6. Mai 1941]
In den späteren Briefen erahnt man die Strapazen des Krieges. Willi erzählt eher nüchtern, das schlimmste spart er sich auf:

Seit 8 Tagen habe ich heute Nacht zum erstenmal wieder ausgiebig geschlafen. Was ich in den letzten Tagen erlebt habe, möchte ich hier nicht schreiben und werde Euch dies anläßlich eines gesunden frohen Wiedersehens erzählen. Der Russe hat uns jedenfalls schwer zu schaffen gemacht u. war auch mehrfach durchgebrochen. Was diese bedeutet, kann nur derjenige sagen, der es mitgemacht hat. [Brief von der Ostfront, 29.8.42]

Der Zeitgeist zeigt sich auch in seinen Beziehungen zu Frauen. Da ist zunächst die Irmgard, mit der er die Beziehung wegen der unterschiedlichen Religionen löst. Dann lernt er die Erna kennen, aber hier ist er "mißtrauisch" weil sie wegen ihres Beines in Kur muss. Denn eine Frau, die ständig in Kur muss, dass kann er sich nicht leisten. Und so geht er zur Irmgard zurück.

Einen großen Anteil in den Briefen hat auch die Besorgung von Geschenken. Die Familie schickt Willi Kuchen, Zigaretten oder auch Geld, wofür er sich bedankt, aber stets betont, er brauche eigentlich nichts. Im Gegenzug ist Willi ständig bemüht, der Familie Sachen zu besorgen, an denen es gerade mangelt, z.B. für den kleinen Heinz ein paar anständige Schuhe (Willi hat aber kein Glück, er bekommt nur schlechte Schuhe, immerhin passen sie), oder Rosinen, einen Schirm oder Stulpen. Um die Namen richtig einordnen zu können, wäre noch zu Beginn ein Kapitel (nicht nur Buchinfo) nicht schlecht mit einer kurze Einstimmung mit biografischen Daten: Wann ist Willi geboren, wie alt ist er bei der Einberufung, wie heißen die Geschwister und Nichten/Neffen und wie ist die Verbindung zum Herausgeber. So könnte man die Verhältnisse noch besser einordnen.

Wann immer Willi Bezug nimmt auf besondere Orte oder Kriegsgeschehnisse oder andere zeitgeschichtliche Dinge, gibt es Fußnoten vom Herausgeber dazu. Ein Abkürzungsverzeichnis wäre auch nicht schlecht. Eine Chronik, die Reise von Hascher und seinem Vater zum Soldatenfriedhof und zahlreiche Fotos runden das Buch ab.


So eine Brief-Biografie hatte ich bisher in dieser Form noch nicht gelesen und ich bin sehr begeistert. Willi hatte keine schriftstellerischen Ambitionen, sondern schrieb einfach Briefe an seine Familie. Ich stufe ihn als durchschnittlichen Soldaten ein, er war weder ein überzeugter Hardcore-Patriot noch ein Rebell. Er dachte, dass Deutschland den Krieg gewinnen würde und wollte seinen Teil dazu beitragen. Daneben galten seine Sorgen seiner Familie und seiner Freundin sowie der allgemeinen Versorgungslage. Briefe aus der Front in dieser Form geben wirklich einen ungeschminkten Einblick in den Kriegsalltag, der allzuoft erstaunlich banal und eben alltäglich war. Wie das Versenden und Empfangen von Briefen und Paketen von und für die Soldaten organisiert war, Fortbildungen, Erholungsurlaube, Transporte, Belobigungen, Erlaubnisse, und so weiter. Diese ganze gewöhnliche Bürokratie, mitten im Krieg.





📮 Besonderes Angebot 📯


Wenn ihr euch nun für diesen Briefroman interessiert, für den hat der Herausgeber ein besonderes Angebot, das ich euch hiermit vorstellen darf: Unter uhasch@aol.com könnt ihr direkt bei ihm eine Ausgabe bestellen. Das Buch kommt mit Widmung und kostet glatte 10 Euro, der Versand ist inklusive.




Lesen oder nicht?


Authentische Einblick in das Leben und Denken eines Wehrmachtssoldaten. Wer sich für diese Zeitepoche interessiert, ist mit diesem biografischen Briefroman gut bedient.
⭐⭐⭐⭐⭐



Bibliographische Daten


Titel: Meine Lieben!
Untertitel: Die Briefe meines Großonkels an meinen Opa und seine Familie während seiner Dienstzeit vom September 1939 bis Dezember 1942 in der Wehrmacht.
Autor: Willi Layer und Ullrich Hascher (Hrsg.)

Ausgabe: Print
Seitenzahl: 224
Verlag: BoD
September 2017
ISBN-13: 978-3744830393
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Ulli ist ein langjähriger Freund und hat mir das Buch zu meinem Geburtstag geschenkt, wofür ich mich herzlich bedanke!


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