Freitag, 23. Februar 2018

[#WritingFriday] Erkläre einem Außerirdischen, was Liebe ist

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Janos und Eli und die schwierige Aufgabe, einem Außerirdischen die Liebe zu erklären


Als Eli in den Gemeinschaftsraum der Talkon kam, fiel ihr gleich Janos' Stirnrunzeln auf, weil es so untypisch für ihn war. Normalerweise war er gleichmütig gelaunt und strahlte eine gewisse lässige Kompetenz aus. Passend für einen Mann, der mit nicht mal 26 Jahren sowohl ein begabter Musiker als auch stellvertretender Chefingenieur an Bord des Raumschiffs Talkon war. Eli setzte sich neben ihn und stellte ihr dampfendes Reisgericht auf den niedrigen Tisch vor sich.

"Probleme?" fragte sie in beiläufigem Tonfall.

Janos lächelte sie an. "Mehr eine Herausforderung."

"Erzähl!" forderte Eli ihn in ihrem besten Kommandoton auf.


Wie so oft versuchte sie durch eine gewisse Barschheit zu verbergen, dass sie eine heimliche Schwäche für Janos hegte. Eli war der Meinung, dass ihr das gut gelang und niemand davon wusste. Sie fand dieses Gefühl im Übrigen auch gänzlich unangebracht. Janos und sie waren sehr enge Freunde, Vertraute und dienten als Kollegen seit Jahren zusammen auf der Talkon. Und sie waren beide in festen und glücklichen Partnerschaften. Aber sie stand nun mal, wenigstens so ein kleines bisschen, auf seine sanften, grünen Augen, die markanten Wangenknochen und den dunkelblonden Pferdeschwanz.

Seltsamerweise war ihr Partner Erwin optisch überhaupt nicht mit Janos zu vergleichen. Wo Janos groß war und schlank, war Erwin stämmig und klein. Wo Janos einen dunkelblonden Pferdeschwanz hatte, hatte Erwin kurze und mittelbraune Haare, und der Ansatz lichtete sich bereits etwas. Wo Janos im Mittelpunkt stand, blieb Erwin lieber in der zweiten Reihe. Gemeinsam hatten beide die Liebe zur Musik. Erwin tanzte gerne und gut, genauso wie Eli. Vielleicht war es damals ja diese elegante Vierteldrehung gewesen, in die sie sich zuerst verliebt hatte.

Janos langjährige Partnerin war Mirta, eine kleine, zarte Person, die man leicht unterschätzte, mit einem spitzen, immer etwas verletzlich wirkenden Mausgesicht und abstehenden Ohren. Zwar nicht häßlich, aber eine landläufige Schönheit konnte man sie beim besten Willen auch nicht nennen. Janos vergötterte sie und diese Liebe, so dachte Eli, wurde zwar erwidert, aber mit der eher nüchternen und pragmatischen Art, die Mirta zu eigen war.

"Das Symposium auf Magor", sagte Janos. "Der Captain hat mich aufgefordert, dort einen Vortrag zu halten, der intergalaktischen Freundschaft willen, und so."

"Bestimmt wirst du die Mannschaft der Talkon würdig vertreten und alle mit euren linksdrehenden Nietschrauben langwei-, äh, faszinieren." grinste Eli.

"Erstens sind es rechtsgewickelte Schraubnieten," korrigierte Janos mild, "und zweitens soll es kein technischer Vortrag sein, sondern einer für das kulturelle Nebenprogramm. Du weißt schon, das, bei dem sich alle kennenlernen und liebhaben sollen. Ja, Liebe, das ist genau das Stichwort." schloß er heftig.

Eli wurde es ein bisschen heiß im Gesicht. Hatte sie irgendwie verraten, dass sie heimlich auf ihn stand? 

"Das Thema meines Vortrags ist 'Die Liebe'", sagte Janos. "Ich hab mir überlegt, was ich über die Liebe erzählen soll: Die Liebe ist der Nährboden unseres Lebens. Die Liebe zu unserem Partner, die Hochstimmung, wenn diese Liebe erwidert wird. Die aufregende Liebe der ersten Verliebtheit. Die stille Liebe langjähriger Partnerschaften, die aus Vertrauen und Respekt erwächst. Die Liebe zu unserem Nachwuchs, wir sind als Kinder so abhängig von der Liebe unserer Eltern und lieben absolut und loyal zurück. Wir sorgen für die, die wir lieben und werden von ihnen umfangen und versorgt. Die Liebe macht aus Individuen Paare, Familien, Gemeinschaften. Sie treibt uns an, unser Bestes zu geben."

Eli konnte nicht wiederstehen, den Advocatus Diaboli zu spielen. "Was ist mit Eifersucht, Neid, mit dem Schmerz, der aus unerwiderter Liebe entsteht, mit der Liebe, die in Abhängigkeit und Hass umschlägt? Du stellst nur die positiven Seiten dar."

"Schließlich bin ich Optimist. Ich glaube fest daran, dass die Liebe das Wichtigste in unserem Leben ist. Und sei es nur als Leitmotiv, dem wir folgen, wie eine Sonne in unserem Leben, die auch in der Nacht wichtig ist."

"Gut, du wirst also den Aspekt der Liebe als Antrieb und Motiv für unser Leben darstellen."

"Genau, und ich habe auch begonnen, ein Lied zu komponieren, Eli, und ich wäre sowieso noch zu dir gekommen um deine Hilfe zu erbitten."

"Du bist doch der Musiker von uns beiden, ich spiele nicht mal ein Instrument."

"Deine Hilfe als Exo-Verhaltensforscherin. Mein Glück, dass du die beste Exo-Verhaltensforscherin an Bord der Takon bist", schmeichelte er.

"Und zufälligerweise auch die Einzige", sagte sie trocken und Janos lachte.

"Nun, es geht darum, wie mein Lied über die Liebe auf die verschiedenen Rassen wirken würde, ob sie es verstehen würde. Keine Sorge machen mir beispielsweise die Magorianer. Wenn man mal davon absieht, dass sie dreigeschlechtig sind und eine Partnerschaft dementsprechend komplizierter, unterscheiden sie sich nicht groß von uns. Oder die Trojianer. Sie mögen immer etwas albern wirken, aber sie ziehen ihren Nachwuchs hingebungsvoll 50 lange Jahre lang auf.

Aber das Konzept der Liebe allgemeinverständlich präsentieren? Es ist immerhin ein sehr wichtiges Symposium und alle 29 bekannten außerirdischen Völker sind vertreten. Du wirst noch besser als ich wissen, wie unterschiedlich sie sind. Sieh hier, ich hab eine Liste gemacht." Janos tippte auf seinem Tap ein Listensymbol an und zeigte ihr seinen Aufschrieb.

"Die Bäumler", seufzte er. "Himmel, sie kommunzieren über chemische Signale, über Duftstoffe. Erst vor drei Jahren haben ihre Wissenschaftler einen Weg gefunden, ihre Duftsprache in unsere gesprochene Sprache zu übersetzen. Wie kann ich "Liebe" in ihrem Erfahrungshorizont darstellen?

Oder nimm die Tolkra. Sie sind eingeschlechtig, leben nicht in Partnerschaften und vermehren sich die meiste Zeit ihres Lebens durch Knospung. Kennen Sie überhaupt so etwas wie Liebe? Ihre Werte, ihre Lebensweise, ihre Biologie, ihre Denkmuster, das alles ist so komplett unterschiedlich zu uns. Hast du eine Idee?"

Eli beugte sich vor. Janos stellte ihr da eine interessante Aufgabe, die ihren Intellekt herausforderte. Die Wissenschaft war für Eli seit frühester Zeit ihre Leidenschaft gewesen. Sie spürte dieses Kribbeln, wie immer, wenn sie sich einer spannenden Fragestellung gegenüberstand. Sie liebte das Gefühl der Befriedung, wenn sie imstande gewesen war, ein schwieriges Problem zu lösen.

"Die Bäumler -" begann sie nachdenklich, "wir haben sie nicht umsonst nach 'Bäumen' benannt, sie sind ja im Prinzip intelligente und fortbewegungsfähige Bäume. Sie kommunizieren über Duftstoffe mit anderen ihrer Gemeinschaft, ihrem 'Hain'. In ihrem Hain leben viele verschiedene Rassen von Bäumlern und sogar andere Individuen. Sie sind untereinander über ein Wurzelgeflecht verbunden, als dem sie sich nur zeitweise ausklinken, wenn sie auf ihrem Planeten umherlaufen, um - äh - das zu tun, was Bäumler zu tun. Einen der Wissenschaftshaine aufsuchen zum Beispiel, um die neuesten Ideen zurück in den Heimathain zu bringen." Eli neigte etwas zum abschweifenden Dozieren, solange man sie nicht stoppte.

"Jedenfalls, über diese Wurzelgeflechte verteilen sie Nährstoffe an die einzelnen Individuen, ganz ähnlich, wie das auch auf der Erde in einem Wald geschieht. Das spannende ist, dass der gesamte Hain dabei hilft, die jungen Bäumler großzuziehen. Egal, ob sie selbst mit dem Sprößling genetisch verwandt sind oder nicht. Die Sprößlinge sind Teil der Gemeinschaft des Hains und die großen Bäumler sorgen sich um sie, beschützen sie und geben ihnen einen Großteil der zur Verfügung stehenden Nährstoffe ab. Wenn das nicht deiner Definition von Liebe entspricht, Janos!"

"Gibt es einen bestimmten Duftstoff, der die Verteilung hin zu den Sprößlingen steuert und könnten wir ihn replizieren?"

"Ja, den gibt es und die Formel ist bekannt."

"Dann könnte ich diesen Duftstoff verwenden, um den Bäumlern diesen Aspekt der Liebe zu zeigen", Janos nahm einen Stift und machte sich gleich Notizen auf seinem Tab. "Und zwar bei dieser Sequenz und dann ... bei dieser, denke ich...", murmelte er und lehnte sich schließlich befriedigt lächelnd zurück. Es war offensichtlich, wie glücklich ihn seine Musik machte, wie sehr er die Welt der Töne und der Rhythmik liebte.

"Die Tolkra", war Eli schon beim nächsten außerirdischen Volk, "in ihrer Umwelt ist es eine gute Überlebensstrategie, vereinzelt und möglichst unsichtbar für Feinde zu sein. Dieses Verhalten haben sie auch mit all der Technologie behalten. Die Knospen werden geschützt, indem sie vom Elter zu einem der Kindergärten gebracht werden, das sind Bruthöhlen im Inneren der Erde, in denen sie heranwachsen und von der Kriegerkaste bewacht werden. Das sind die einzig sicheren Orte auf ihrem Planeten. Du könntest die Bruthöhlen besingen, als die Orte, an denen die jungen Tolkra behütet und beschützt werden und Liebe erfahren."

"Ja, eine gute Idee" sagte Janos und machte sich Notizen. Mit diesem gewissen Lächeln, bei dem Eli immer Schauer der Aufregung spürte, schaut er sie an und berührte leicht ihren Arm. "Eli, ich liebe..." er zögerte kurz und Eli spürte ihr Herz stockend in ihrer Brust "... deine guten Ideen, dich kann man immer um Rat fragen. Aber - oh - es ist spät geworden, ich muss zum Dienst". In Janos Stimme schwang eine Mischung aus Bedauern und Erleichterung mit. Eli befeuchtete mit der Zungenspitze ihre plötzlich so trocken erscheinenden Lippen. Janos stand auf, hielt dann inne und zeigte auf seine Liste. "Vielleicht können wir später die restlichen Außerirdischen durchgehen? Mirta ist nicht da, wir könnten in Ruhe zusammen essen und die Liste durchsprechen."

"Gern, bis später", willigte Eli ein und sah in seine faszinierend grünen Augen. Sie war einfach gern in seiner Nähe, und meinetwegen könnten sie auch stundenlang langweilige Datenreihen vergleichen, das änderte nichts an diesem Knistern, das so manchmal zwischen ihnen entstand und das sie so genoss.




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Diese Woche hab ich mich inspiriert gefühlt, einen längeren Text zu schreiben. Es ist eigentlich als Kapitel innerhalb eines ganzen Buchs zu sehen (das noch nicht existiert). Der Text ist komplett mit Storyboard, Struktur und mehrmaliger Korrektur entstanden. Es war gut, den ganzen "schriftstellerischen Prozess" einmal üben zu können.
Natürlich konnte ich in diesem Text meine Liebe zu den Naturwissenschaften, speziell der Biologie, nicht verbergen und auch nicht meine Liebe zur Sciene-Fiction, aber auf einer Metaebene paßt ja auch das zum heutigen Thema.
Tja, welche unterschiedlichen Formen Liebe doch annehmen kann...


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Dieser Text ist im Rahmen des #WritingFriday entstanden. Elizzy von Readbooksandfallinlove hat ihn ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Und dann - nichts wie ran an die Stifte oder die Tastatur. Eine Geschichte, ein paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt -  egal, Hauptsache, man übt das kreative Schreiben.

Ich werde versuchen, oft mitzumachen und mich einfach im Schreiben zu üben. Ich bin schon gespannt, wie euch meine literarischen Gehversuche gefallen. Konstruktive Kritik und auch Lob sind gern gesehen.

Die Themen für den Februar:

4 Kommentare:

  1. Oh - das hast du gut beschrieben und auch die einzelnen spezienspezifischen Aspekte einzusetzen. Dann wünsche ich mal weiter so tolle Ideen für das (noch nicht geschriebene) Buch. LG

    Hier ist mein Ausserirdischer. https://wp.me/p8qB43-6Ks

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  2. Ich liebe diesen Ausschnitt! Vielleicht kann man ja darauf hoffen, in Zukunft mehr von Eli und Janos zu lesen :) Das war ein richtig toller Einblick in eine komplexe Storyline - richtig, richtig gut gemacht. Danke dir dafür!
    Liebste Grüße,
    Ida

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    1. Hallo Ida,
      vielen Dank, die Rückmeldung bedeutet mir viel, dass Janos und Eli gut angekommen sind. Eli ist "eigentlich" nur ein Nebencharakter, aber bei dieser Story hat es sich angeboten, dass der Fokus auf ihr liegt.
      Ach, ich freu mich :)
      LG - Daniela

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  3. Sag mir dann bitte Bescheid, wenn du das Buch veröffentlicht hast, ja? :P Ich bin auch so ein Fan von Sci-Fi und deine Story gefällt mir sehr gut, macht Lust auf mehr!

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