Mittwoch, 4. April 2018

[Rezension] Die Judenbuche von Anette von Droste-Hülshoff

gelbes Reclam-Heft
Reclamheft von Die Judenbuche

Novelle, 62 Seiten
Reclam, 1984
Erstveröffentlichung im Cotta'schen Morgenblatt für gebildete Leser, 1842
ISBN:3-15-001858-7
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Woher: Geschenkt bekommen, es war eine alte Schullektüre des Schenkers


Erster Satz

Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges.

Zusammenfassung


Friedrich Mergel wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, seit seinem 9. Lebensjahr ist er Halbwaise. Er hilft dem Onkel, verdient sich so Geld. Sein Charakter entwickelt sich eher mäßig. Als der Jude Aaron unter einer Buche erschlagen wird, wird Friedrich verdächtigt; er flüchtet zusammen mit seinem Freund Johannes.



Persönlicher Eindruck


Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen, das ist der Untertitel der Novelle, die 1842 in einem Blatt für gebildete Leser erschienen ist, und genauso baut die Autorin die Novelle auch auf. Sie verwendet viel Zeit für eine Darstellung der ländlichen Umgebung, welcher Menschenschlag dort wohnt etc, und wie Friedrich aufwächst, welchen Einflüßen er ausgesetzt ist, die ihn von einem ganz netten Kerlchen zu dem eher charakterlich zweifelhaften Erwachsenen werden lassen, "Leichtsinn, Erregbarkeit und vor allem ein grenzenloser Hochmut".

Die vielen Einzelbeobachtungen rund um Friedrich sind wie kleine Puzzelstücke, die von der Autorin zusammengetragen werden und die dann ein Ganzes ergeben. Bspw. die "Adoption" durch seinen Oheim, die Beziehung zu Johannes (möglicherweise ein Cousin), sein eleganter Kleidungsstil und gleichzeitig seine Vorliebe, auch mit 18 noch als Hirte zu arbeiten. Dann die Holzfrevler, die ihr Unwesen in den Wäldern um das Dorf treiben. Als der Förster Brandis erschlagen wird, wird auch Friedrich befragt.
Dann die "unglückliche Wendung des Charakters", wie es im Buch heißt.

Auf einem Fest eskaliert die Handlung. Friedrich proviziert sich und protzt besonders mit seiner Armbanduhr. Wenig später erklärt der Jude Aaron lautstark, dass Friedrich ihm noch Geld schuldet für die Uhr. Er wird drei Tage später ermordet aufgefunden. Natürlich wird Friedrich verdächtigt und flüchtet noch in der Nacht. Die ortsansäßigen Juden kaufen die Buche, unter der der Mord geschehen ist und hauen einen hebräischen Spruch in das Holz. Als 28 Jahre später Johannes zurückkommt, der mit Friedrich mit flüchtete, war ich zunächst sehr überrascht, dass sich der Fokus der Geschichte wandelt. Das Ende dann stimmig, dennoch zunächst auch überraschend, und spielt an der Judenbuche.


Inspiriert wurde die Autorin von einer wahren Begebenheit. Die Frage von Recht, Gerechtigkeit, von Moral und Ethik und richtigem Verhalten, ist das Grundmotiv des Buches. Wie es schon zu Beginn heißt "Unter höchst einfachen und häufig unzulänglichen Gesetzen waren die Begriffe der Einwohner von Recht und Unrecht einigermaßen in Verwirrung geraten". Zwei Gerichtsverhandlungen werden beschrieben, in keinem Fall wird ein Täter ermittelt. Die Sühne folgt auf anderen Wegen...


Die Sprache ist hochwertig poetisch, die Erzählung klug und dicht erzählt. Friedrich wurde gekonnt gezeichnet, die Geschichte strebt wie eine Treppe auf ihren Höhepunkt zu. Zurecht ein Klassiker!


 

Lesen oder nicht?


Ein Klassiker, der mir sehr gefallen hat. Die Novelle ist auch kurz, sie lässt sich also rasch lesen. Bitte nicht überfliegen, die Sprache ist sehr poetisch und geht zu Herzen.

Gesamtbewertung: 🌞🌞🌞🌞✩


3 Zitate


In diesen Umgebungen ward Friedrich Mergel geboren, in einem Hause, das durch die stolze Zugabe eines Rauchfangs und minder kleiner Glasscheiben die Ansprüche seines Erbauers sowie durch seine gegenwärtige Verkommenheit die kümmerlichen Umstände des jetzigen Besitzers bezeugte. [S. 5]

Margret hatte bisher ihren Sohn nur geliebt, jetzt fing sie an stolz auf ihn zu werden und sogar eine Art Hochachtung vor ihm zu fühlen, da sie den jungen Menschen so ganz ohne ihr Zutun sich entwickeln sah. [S. 22]

Friedrich stolzierte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend. [S. 38]


4 Kommentare:

  1. Hey Daniela,
    Ich habe dich für den Sunshine-Blogger-Award getagged! Ich würde mich total freuen, wenn du meine Fragen beantworten könntest :-)

    Liebste Grüße,
    Chiara <3

    http://mia-louu.blogspot.de/

    AntwortenLöschen
  2. Liebe Daniela,

    ich hatte das Hörbuch heute in der Bücherei in der Hand, weil ich die Tage schon gesehen habe, dass Du es rezensiert hast. (Da hatte ich die Rezi aber noch nicht gelesen.)
    Ich wollte es schon mitnehmen, da sehe ich steht auf der Rückseite der CD die Auflösung! Verraten die einfach das Ende! Da habe ich es wieder hingestellt. :(

    Deine Rezi ist gut, hätte ich die mal zu erst gelesen.

    Liebe Grüße
    Petrissa

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    1. Oh nein! :D
      Das ist aber wirklich ärgerlich, wenn das Ende verraten wird. Ich hatte es mir sogar auch überlegt - einfach aus dem Grund, dass es ja ein Klassiker ist und man im Netz, wenn man nur ein bisschen guckt, schnell über das Ende stolpert. Aber ich finde das doof, ich wollte es einfach lesen und nicht schon wissen, was genau passiert und wie das Ende ist.
      Wobei das dem Buch natürlich erst seinen Kick gibt.
      Liebste Grüße an dich,
      Daniela

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