Sonntag, 21. Juli 2019

[Rezension] Niemals ohne sie von Jocelyne Saucier

Niemals ohne sie - die Erben der Mine

Dem 80jährigen Vater der Cardinal-Sippe soll von der Gesellschaft der Erzsucher eine Medaille verliehen werden. Die Familie war in alle Winde zerstreut, seit dem Tag, als die alte Erzmine in Norco explodierte. Nun aber kommen sie alle zusammen, um die Verleihung der Medaille zu würdigen.

Ausgehend von diesem Ereignis lässt Saucier einige der 21 Kinder der Familie Revue passieren. Schon bald wird klar, dass die Minenexplosion eine Zäsur war. Es gab ein Vorher - und ein Nachher.

Sie sind "die Erben der Mine" (so der passendere Originaltitel), sie sind getrieben von der fehlenden (finanziellen) Anerkennung des Vaters, der das Erz in Norco entdeckte. Als "Könige von Norco" terrorisierten die Geschwister das Dorf und die Explosion zwingt sie zu einem Pakt des Schweigens, dass die einzelnen Mitglieder fast zerbrechen lässt.

Persönlicher Eindruck


Wie die einzelnen Kinder das Familienleben erlebten und wie die Explosion ihr späteres Leben beeinflusst hat, das berichten Matz, Jeanne d'Arc, Tommy, El Toro und Geronimo. Warum war die Explosion so ein traumatisches Erlebnis und warum konnte es überhaupt so weit kommen? Der französische Originaltitel "Die Erben der Mine" hätte übrigens weitaus besser zu dieser Geschichte gepasst.


Der Stil konnte mich total packen. Was da traumatisches passiert ist, wird relativ schnell klar, aber die verschiedenen Blickwinkel auf die Familie und das Leben in Norco haben mich fasziniert. Jedes der erzählenden Kinder wird von einer anderen Stimme gesprochen, von einer anderen Persönlichkeit. Ich hätte gerne auch noch die anderen Kinder gehört, zumindest noch Tim; aber auch die anderen hätten mich interessiert.

Diese Erzählstruktur war für mich auch das Highlight des Buches und das "Aufarbeiten", wie "es soweit kommen konnte". Es ist auch eine Geschichte darüber, was das erzwungene Schweigen mit Menschen macht.





Wie war nun das Leben für die Cardinals?

Familie Cardinal wohnt im französischsprachigen Kanada in einer Minenstadt namens "Norco", die Abkürzung von Northern Cooperated. Diese Gesellschaft beutete die Erzmine zwar aus, entdeckt hatte sie aber der Vater der Familie.
21 Kinder hat die Familie Cardinal. "Wir waren so viele", stellt der Jüngste, Matz fest. Die Eltern sind zwar in gewisser Weise der Mittelpunkt der Familie, das Wohlergehen der Mutter liegt allen am Herzen und die beruflichen Erfolge oder Mißerfolge des Vaters bestimmt die Stimmung der ganzen Familien. In anderer Hinsicht aber sind die Eltern seltsam abwesend. Die Mutter kocht den ganzen Tag, ist nicht mal auf der Geburtstagsparty des Jüngsten. Und der Vater ist auch die ganze Zeit unterwegs, Erz suchen oder schürfen. Und so hat sich unter den Kindern eine gewisse Bandenmentalität breit gemacht.

Es herrscht ein harscher Umgangston. Die Bande, angeführt von Geronimo, geriert sich als "die Könige von Norco" und führt einen Krieg gegen die Landeier. Schwäche wird gnadenlos bestraft. Um das Dreiersofa vor dem Fernseher, die Anziehsachen und sogar die Betten ("es gab von allem zu wenig") prügeln sich die Kinder. Ein Hauen und Stechen. Sie halten zusammen, ja, aber Individualität ist hier schwer. Das merkt vor allem Angele. Dieses Kind liebt Rüschchenkleider und "Firlefanz", in der der burschikosen Umgebung hat sie es schwer.

Diese Familiendynamik war mir wirklich unsympathisch. Am schlimmsten fand ich die Katzenparade, bei denen sie die toten Katzen der sonstigen Bewohner auf Stangen durch die Stadt trugen. Auch sonst konnte mich kaum ein Cardinal ganz für sich einnehmen. Am ehesten war mir noch Tommy sympathisch, oder auch Tim. Von Geronimo war ich bei seiner eigenen Darstellung auch überrascht, dass er nicht so unsympathisch ist im Inneren.


Hier noch eine Auflistung der Kinder der Familie Cardinal, da ich eine solche Liste gerne noch im Booklet gehabt hätte. In Klammern dahinter habe ich noch Stichwörter gesetzt. Die genaue Altersreihenfolge habe ich aber nicht rausbekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass bis auf den Ältesten alle zwei Namen haben, den Taufnamen, mit denen die Eltern sie anreden und einen Spitznamen, mit denen alle anderen sie anreden:

die Knirpse:

  • Matz (Denis, jüngster Sohn)
  • Tootsie (zweitjüngstes Kind)
  • Wapiti
  • Nofretete

Mittlere Kinder:

  • Mücke (Minenexplosion einen Tag nach seinem 11. Geburtstag)
  • Bibi (wurde ungewollt schwanger)
  • Gelber Riese
  • Jahu (Julien)
  • Pharao
  • Mahatma (entgegen dem Spitznamen sehr aggressiv)
  • Zorro
  • Tim (Justin, beschützte die Schwachen; lebte später als alleinerziehender Vater)
  • El Toro (Lucien, wurde Journalist, mittleres Kind)

Die Großen:

  • Tommy (Carmelle, der burschikose Zwilling, heiratete einen Inukti, lebt im Norden als Krankenschwester, drei Jungs)
  • Adoptivkind / Zwilling (Angèle, der mädchenhafte Zwilling, der klügste Kopf der Familie)
  • Geronimo (Laurent, wurde Arzt in Kriegsgebieten)
  • Fakir
  • Mustang
  • Magnum
  • Jeanne d'Arc (Émilienne, kümmerte sich um die Babys; wohnte noch mit 23 zu Hause, von ihren eigenen Kindern verlassen)
  • Emilien (der Älteste, emigrierte nach Australien)



Lesen oder nicht?


Ein Hörbuch, das mich fesseln konnte. Eine Familiendynamik und Entscheidungen, die mit guten Vorsätzen gepflastert sind, aber zur Hölle führen - das hat mich betroffen gemacht, aber mich in einem positiven Sinne nicht losgelassen. ⭐⭐⭐⭐



Weitere Meinungen

5*: Monerl
Leckere Kekse


Bibliographische Daten

Titel: Niemals ohne sie
Autor: Jocelyne Saucier

Ausgabe: Hörbuch
Ungekürzte Lesung, 6 h 9 m
Verlag: Random House Audio
März 2019
ISBN-13: 978-3837146899
Sprecher: Devid Striesow, Claudia Michelsen, Anna Thalbach, Sabin Tambrea, Robert Stadlober, Benno Fürmann 

Übersetzer: Sonja Finck und Frank Weigand

Schaut's hier: Amazon (Affiliate Link) 


Ich danke dem Bloggerportal für das Rezensionsexemplar im Austausch für meine ehrliche Meinung.


5 Kommentare:

  1. Hallo Daniela,

    ich dachte grad, das kommt mir bekannt vor. Dann habe ich das bestimmt bei Monerl gesehen.
    21 Kinder - wahnsinn!

    Schön, dass es Dir gefallen hat!
    Liebe Grüße
    Petrissa

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  2. Liebe Daniela,
    freue mich sehr, dass auch dich diese Geschichte für sich einnehmen konnte. Ich will das Hörbuch auch noch hören. Es ist sicherlich ein ganz anderes Leseerlebnis, da jedes Kind eine*n andere*n Sprecher*in bekommen hat.
    Wofür war dein Sternabzug? Die Auflistung der Kinder finde ich toll. Das hat mir im Buch auch gefehlt.
    GlG, monerl

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  3. Hi monerl,
    irgendwie rein instinktiv; keine Begründung. 5 Sterne wären genauso in Ordnung :D
    Für diese Kinderauflistung hab ich auch ewig gebraucht :D, bis auf bei leckere Kekse sind die nirgendwo erwähnt.
    LG
    Danie

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  4. Hallo,

    das Buch steht schon auf meiner Wunschliste, und es klingt, als stünde es zur Recht da! :-) Das klingt sehr interessant – auch wenn ich die Katzenparade ganz furchtbar finde...

    LG,
    Mikka
    [ Mikka liest von A bis Z ]

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    Antworten
    1. Hallo Mikka,
      ja, das gab bei mir in der Sympathieskala auch deutlichen Punktabzug. Auch wenn ich glaube, dass das in der Zeit, in der das Buch spielt, zwar auch schon den Rahmen der Konventionen sprengte, aber vermutlich nicht so sehr, wie es das heute tun würde. Aber die Vorstellung ist sehr widerlich und grausam.
      LG
      Daniela

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