Samstag, 6. Juli 2019

[Rezension] 100 Jahre Einsamkeit von Gabriel García Márquez


Klassiker der Weltliteratur! Familiensaga aus dem fiktiven kolumbianischen Dorf Macondo. 

Nach dem José Arcadio Buendía den ihn auslachenden Prudencio umgebracht hat, fliehen er und seine Frau Úrsula Iguarán vor seinem traurigen Geist und gründen das Dorf Macondo, zusammen mit weiteren getreuen Freunden. Zunächst ist das Dorf isoliert und die tugendhaften Bewohner glauben, sie leben auf einer abgeschiedenen Halbinsel. Doch schließlich tauchen die ersten Zigeuner mit Handelswaren und zur Unterhaltung auf und nach und nach holt die Zivilisation Macondo ein. Macondo prosperiert und blüht; bis es schließlich dem Niedergang anheimfällt.

Persönlicher Eindruck


Dieser lateinamerikanische Roman trägt zu Recht den Titel "Klassiker der Weltliteratur". Die Geschichten um die Familie Buendía spiegeln erkennbar die Geschichte Kolumbiens wieder und haben dennoch auch noch weitere Dimensionen. Sie sind manchmal lustig, wahnhaft, traurig, hintergründig, real, fantastisch... dabei aber stets anregend.
Der Stil ist ganz eigen. "100 Jahre Einsamkeit" ist für mich eine Art Schöpfungsmythos - so habe ich das Buch gelesen. Mich von den fantastischen Geschichten einfach inspirieren lassen.

García Márquez schreibt so detailreich, so wortgewaltig, in solch unterschiedlichen Stimmungen; ein wirklicher Genuß. Dennoch könnte ich das Hörbuch nicht stundenlang hören, zu dicht sind die Erzählungen und zu wenig wahre sympathische Helden konnten mich fesseln. Das heißt, dass ich die Erlebnisse der Familie zwar interessiert verfolgte, ich aber mit keinem von ihnen richtig mitfieberte. In der Familiensaga stehen hier die Geschichten im Vordergrund. Und diese Geschichten hören sich zwar real an, haben aber oft ein Element der Fantastik.

Ein Beispiel: Macondo wird von der Seuche der Schlaflosigkeit heimgesucht. Mit der Schlaflosigkeit verschlechtert sich das Gedächtnis der Bewohner und sie beginnen, Namen und Funktion der Dinge zu vergessen. Daraufhin kleben sie Zettel an die Dinge. Beispielsweise hängen sie den Kühen Zettel um, auf denen steht: "Das ist eine Kuh. Man melkt sie morgens. Die Milch tut man dann in einen Kaffee und dann trinkt man den Milchkaffee".

Die Einsamkeit ist auch ein bestimmender Faktor in der Familiensaga. Vor allem die Aurelianos umgibt eine Aura der Einsamkeit. Der Autor lotet alle Formen der Einsamkeit aus. Die Einsamkeit in der Liebe. Die geteilte Einsamkeit. Die Einsamkeit unter einer Platane. Die Einsamkeit, stundenlang im Badezimmer in einer eigenen Welt zu leben. Die Einsamkeit während des Liebesaktes.

Sex, das sollte man wissen, kommt oft vor, ohne, dass es pornografisch wird. Nur ist es manchmal grenzwertig. Als Aureliano z.B. sich in eine gerade 9-jährige verliebt und sie dann heiratet, kaum dass sie zur Frau wird.

Den Überblick verloren hab ich irgendwann auch über die vielen Joses und Aurelianos und die verwinkelten Familienverhältnisse, eine Geschichte über ungefähr 5 Generationen wird nicht einfacher, wenn alle gleich heißen. Andererseits ist es auch egal, denn, wie Ursula feststellt, die Geschichte der Familie dreht sich immer im Kreis und sie haben oft die gleichen Probleme wie die Einsamkeit oder der Drang, etwas herzustellen, um es dann zu zerstören.


Dem Sprecher hörte ich gerne zu, Stimmfarbe, Intonation und Tempo passten. Lediglich Dialoge von Frauen hören sich bei ihm an, als würde er eine Parodie auf tuntige Stimmen sprechen, zum Glück kann man die Stellen an einer Hand abzählen.


Lesen oder nicht?


Empfehlenswert für alle, die sich für Literatur aus Lateinamerika interessieren und/oder für Familiensagen und/oder die Lust an fabulierenden Geschichten haben. ⭐⭐⭐⭐⭐



Bibliographische Daten

Titel: 100 Jahre Einsamkeit
Autor: Gabriel García Márquez

Ausgabe: Hörbuch
ungekürzte Ausgabe, 16 h 49 min
Sprecher: Ulrich Noethen
Verlag: HörbucHHamburg HHV GmbH
Erscheinungsdatum: Juni 2017
ASIN: B0723BTBM8

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Original erschienen 1967
Originalsprache: Spanisch (Kolumbien)
Übersetzerin: Dagmar Ploetz
Neuübersetzung von Kiepenheuer & Witsch


Woher? Tipp von meiner Arbeitskollegin Yasmin; vielen Dank!



Diese Rezension ist ein Partygast bei monerls Linkparty!  #Miteinanderstattgegeneinander
Kommt doch auch auf die Party :)


4 Kommentare:

  1. Huhu Daniela,

    das hört sich wirklich toll an.
    Das werde ich mir auf die WuLi setzen. Danke für den Tipp!

    LG
    Petrissa

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    1. Ich bin gespannt, wie du es findest. Du magst ja grad viel Fantasy; und es hat soviel fantastische Elemente, obwohl es gleichzeitig auch realistisch ist. Seltsame Mischung, aber typisch lateinamerikanisch.

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  2. Liebe Daniela,

    das Buch habe ich vor einem Jahr bei Audible geladen und hatte mit dem Hören angefangen. Nach ca. 3 Hörstunden habe ich erstmal abgebrochen. Es ist eine sehr schwere Geschichte und ich finde nicht so richtig den Zugang. Habe schon sehr viel Positives über dieses Buch gehört und deshalb noch nicht aufgegeben. Vielleicht starte ich jetzt neu. Kolumbien kann ich auf meiner literarischen Weltreise noch sehr gut gebrauchen. ;-) Ja, das dachte ich letztes Jahr auch... hahaha
    Vielleicht klappt es dieses Jahr besser.

    Ob ich nach dem Hören auch 5 Sterne vergeben werde, bezweifle ich. Mal sehen. Danke, dass du mit diesem Buch bei der Linkparty mitgemacht hast!

    GlG, monerl

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    1. Hallo monerl,
      das kann ich gut verstehen. Der Erzählstil ist oft so, dass man denkt "was hat der geraucht?". Zunächst versteht man gar nicht, was das alles soll. Sieh es tatsächlich als Schöpfungsmythos. Als etwas, das seit Generationen weitergegeben wird und nun etwas ausgeschmückt wurde. Vieles darf man einfach nicht wörtlich nehmen.
      Mein Chef erzählt so ähnlich :D, deshalb bin ich diese Art von Geschichten vielleicht auch schon gewöhnt.
      Man muss sich auf jeden Fall drauf einlassen.
      Und: Nicht zuviel am Stück hören!
      Vielleicht klappt es mit diesen Tipps, dass du einfach Freude beim Zuhören empfinden kannst.
      LG
      Daniela

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