Freitag, 29. Juni 2018

[#WritingFriday] Der Glitzer-Gold-Bikini

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Der Glitzer-Gold-Bikini


Schreibaufgabe: Der Sommer beginnt, erzähle aus der Sicht eines Bikinis



11. Juni


Die Saison ist schon lange im Gange, draußen 26 Grad, alle liegen am Baggersee - nur ich hänge hier noch immer im Geschäft. Die anderen Bikinis, die Anfang April mit mir in den Laden kamen, sind alle schon weg, nur ich bin übrig geblieben. Ich muss der Tatsache ins Auge sehen - ich bin ein  Ladenhüter. Ich bin traurig.

12. Juni


Der Laden schließt. Schon wieder hat mich keine Frau mitgenommen. Die Neuzugänge kichern hämisch hinter meinem Rücken. Was stimmt mit mir nicht? Ich finde mich schön. Ja, ich bin  außergewöhnlich, ganz in Gold mit Glitter. Und Größe 46 ist auch nicht so gebräuchlich für einen Bikini. Schon ein Hingucker. Aber das mich tatsächlich gar niemand will? Niemand??

13. Juni


Wieder ein ereignisloser Tag. Höhepunkt: Einige Frauen kommen in den Laden, die nach Größe 46 aussahen. Aber alle griffen zu Einteilern.

14. Juni


Heute ist etwas Aufregendes passiert. Ein junger Mann, so um die 25 Jahre, war im Laden und ist immer um mich herum geschlichen, hat mich ein paar mal auch in der Hand gehalten. Ganz klar - der war interessiert. Männer kaufen nicht so häufig Bikinis, als Geschenk für die Damen werden  andere Dinge bevorzugt, Blumen oder so - was weiß ich. Der junge Mann könnte meine Chance sein. Leider ging er dann nach einiger Zeit, hat sich aber noch in der Tür umgedreht. Wirkte unentschlossen. Ich glaube: Der kommt wieder.



15. Juni


Hurra! Mein Gefühl von gestern hat mich nicht betrogen, der junge Mann kam wieder. Die Verkäuferin fragte, ob sie ihn (gemeint war: mich) als Geschenk einpacken soll. Und der Mann ist rot geworden und hat ja gesagt. Michael heißt er, so steht es auf der EC-Karte. Ich bin schön verpackt in einem blumigen Geschenkpapier. Das wird eine Freude.

16. Juni


Ich spüre, wie Hände das Geschenkpapier aufreißen. Gleich werde ich meine neue Besitzerin sehen. Hoffentlich freut sie sich.

Doch keine neue Besitzerin, Michael selbst hat das Geschenkpapier aufgemacht. Und legt mich jetzt aufs Bett, betrachtet mich. Keine Ahnung, was das jetzt soll. Wahrscheinlich findet er das Geschenkpapier nicht so passend, es war ihm aber im Laden peinlich, es zuzugeben. Deshalb ist er auch rot geworden. Gut, da hab ich ja kein Problem mit. Schließlich kommt es auf den Inhalt an, nicht auf die Verpackung. Obwohl, sollte ich so denken? Ich bin ein Bikini, ich bin gewissermassen die Verpackung... Oh je, die Aufregung der letzten Tage, ich bin schon ganz konfus geworden. Ich bin ein philosophierender Bikini, hihi.


Apropos Aufregung, da bin ich wohl nicht alleine mit. Michael stromert andauernd um mich herum, streicht über mich, nimmt mich in die Hand, legt mich wieder hin. Da ist jemand wohl ganz schön aufgeregt.

--- Stunden später ---


Michael läuft schon wieder vor mir auf und ab. Ich spüre, gleich wird etwas passieren. Nehme an, dass die Lady bald kommt. Junge, Junge, der ist so aufgeregt, der transpiriert total. Da ich ein Bikini bin, weiß ich, was zu tun ist, wenn man schwitzt. Duschen hilft meistens. Naja, das ist kein spezielles Bikini-Wissen, sondern Allgemeinbildung.

Prima, Michael zieht sich aus. Ja, gute Idee, Mann, geh erstmal duschen.

Heee... moment, was passiert denn jetzt? Halt! Stopp! Nein! Da läuft etwas völlig schief - Michael zieht mich an. Was, was ist das? Oh Gott, wo bin ich gelandet. Bei einem Freak oder was? Ich bin ein Bikini! Für die Ladies! Ein Lady-Bikini! Michael ist ein Kerl! Ich, ich fass es einfach nicht. Er kann mich doch nicht  -- huch -- ja, ja, da zuppelt er zurecht, ich glaube nicht, dass es --- okay, ja so geht es offensichtlich - und oben ausstopfen. Ich fasse es nicht ... Das darf doch alles nicht wahr sein.

--- etwas später ---


Bin immer noch schockiert.

Michael stolziert auf und ab.

Er ist glücklich.

--- geraume Zeit später ---


Gewöhn mich langsam daran, dass mich ein Mann trägt. Ich hab ja auch gar keine Vergleichswerte. Die Unterschiede werden gar nicht so groß sein.

Ich weiß nicht, was ist schlimmer? Gar nicht getragen werden oder von einem Mann getragen werden? Naja, meine Aussichten waren ja nicht so rosig, dann lieber ein Mann als gar niemand. Und Michael findet mich hübsch. Tut mir leid, dass ich vorhin überreagiert habe, aber es war so unerwartet... Niemand hat mir gesagt, dass ich nicht nur was für die Damenwelt bin.

---  später ---


Wir gehen in ein Badezimmer. Klar, Michael will sich jetzt in voller Pracht sehen. Und mich natürlich. Ich werde ganz besonders schön glitzern und eine gute Figur machen.

Da sind wir, im Spiegel. Uih, was bin ich ein schöner Bikini!

Scheiße, nein, Michael weint. Michael - nicht weinen! Michael - sieh doch, du bist schön, ich bin schön - WIR sind schön. Alles gut! Michael? Michael?

Du musst mich jetzt nicht ausziehen.

Der zieht mich jetzt aus und flennt dabei! Autsch - pfeffert der mich einfach in eine Ecke!

17. Juni


Liege immer noch in der Ecke.

18. Juni


Liege immer noch in der Ecke. Michael schaut mich nicht an.

Bin verletzt. Michel, ehrlich - du kannst mich doch nicht einfach kaufen, anziehen, und grad wenn ich mich an alles gewöhn, in eine Ecke werfen. Jetzt komm wieder und steh dazu, dass du mich magst, Herrgott nochmal!

19. Juni


Gibt es einen Plan B für einen Bikini, den keiner will?

20. Juni


Na endlich - Michael hebt mich auf... zieh mich an, zieh mich an... Gut so, erst das Höschen, ja, ich weiß, alles zurechtzuppeln, tut mir Leid, für einen Penis war ich halt nie gedacht. Hey, ist nicht deine Schuld, meine auch nicht, wir kommen damit schon klar. Und jetzt oben ausstopfen. Was ist das überhaupt? Silikonpads oder so? Schön enthaart bist du ja - oder wachsen die bei dir gar nicht so? Egal, nein, jetzt bloss nicht wieder anfangen zu weinen. Oho, der Spiegelblick kommt.

Blick in den Spiegel ist überstanden, Michael sah trotzig aus. Und schminkt sich jetzt.

--- etwas später ---


Michael ist fertig geschminkt. Mein Gott - ist der Mann hübsch! Geschminkt und im Glitter-Bikini, olala! Wie eine echte Lady!

So, wir liegen nun auf einem Balkon und sonnen uns. Das ist ja mal ein Anfang. Vielleicht geht es morgen schon ins Schwimmbad oder an einen Baggersee, oder irgendwo in einen Whirlpool. Wir sind doch ein Dreamteam, Michael, ich glaube langsam, das war Schicksal, dass du in diesen Laden kamst. Wer anders als du hätte einen goldenen Glitzer-Bikini in Größe 46 gekauft, wem, wenn nicht dir, würde ich so gut stehen?

Michael - der Sommer kann kommen!



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Über den #WritingFriday:  Elizzy von Readbooksandfallinlove hat ihn ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Eine Geschichte, ein paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt -  alles ist möglich.

Die Themen für den Juni:

12 Kommentare:

  1. Hallo!
    Ich finde es unglaublich toll, wie du diese Aufgabe gelöst hast und freue mich sehr für Michael! Du hast das Thema sensibel und unglaublich schön umgesetzt! Besonders die Worte des Bikinis "Wir sind schön" sind einfach unglaublich passend!
    Weiter so!

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    1. Hallo Elizzy,
      ich freue mich sehr über dein Lob und dass die Geschichte so ankam - da trifft man gern auch mal leicht im Ton daneben, ich bin froh, es geschafft zu haben.
      LG,
      Daniela

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  2. Sehr, sehr süß, liebe Daniela! Ich war ja schon sehr gespannt auf diesen Text. Dein Tipp hat mich schon ahnen lassen und ich gebe zu, die Geschichte ist NOCH besser geworden, als ich gedacht hatte. <3
    Eine super Idee!

    --> "ob sie es (gemeint war: mich) als Geschenk einpacken soll."
    der Bikini, somit würde ich schreiben: "ob sie ihn ... einpacken soll", oder? :-P

    Mein letzter Beitrag im Juni handelt von dem SPRECHENDEN BUCH.
    GlG, monerl

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    1. Hi monerl,

      schön, dass du es schon geahnt hast, um was es geht :) und es dir gefällt.

      Deine Anregung bezüglich des Personalpronomens hab ich umgesetzt.

      LG, Daniela

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  3. Liebe Daniela,

    die Spannung baut sich in der Geschichte gut auf und dann ein Wechselbad der Gefühle gegen Ende :).

    Viele Grüße
    Sebastian

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    1. Hi Sebastian - vielen Dank. Ich bin selbst gespannt, wie es mit Michael weitergeht. Ich hatte erst einen anderen Schluß, ich hatte auch einen offenen Schluß, der weiter oben im Text endet - aber dieser hier fühlte sich dann am stimmigsten an.

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  4. Hallo Daniela

    Das hab ich jetzt total gerne gelesen. Klasse! Du hast Talent zum Schreiben.

    Liebe Grüße,Gisela

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  5. Liebe Daniela,

    wunderschön! Und ein so wichtiges Thema! Ich freue mich sehr, dass Du es auf diese Art geschrieben hast.
    Da fällt mir ein, ich muss immer noch George rezensieren.

    Liebe Grüße
    Petrissa

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    1. Wie ich aus Instagram weiß, ist der Juni #Pride-Monat - und irgendwann hatte sich das Thema einfach angeboten.

      Hilf mir auf die Sprünge - wer war George? War das der Junge, der als Mädchen leben wollte?

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  6. Liebste Daniela,
    ich bin total "in love" mit deiner Geschichte :) Du bist mit diesem, leider heute noch, schwierigem Thema sehr schön umgegangen und freue mich das Michael seine Komfort-Zone durchbrochen hat um sich noch komfortabler zu fühlen!
    Ich habe schon einige von den Bikini-Feschichten gelesen, aber keine hat mich so berührt wie deine! Wirklich Großartig! <3 Annie

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    1. Hallo Annie, ich bin wirklich sehr bewegt, dass du das schreibst und es freut mich sehr.

      Ich fühle jedenfalls starke Sympathien für Michael und hoffe, dass er seinen Weg weiter geht.

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