Freitag, 27. Juli 2018

[#WritingFriday] Er konnte tatsächlich fliegen

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Er konnte tatsächlich fliegen!


Schreibaufgabe: Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz „Er konnte tatsächlich fliegen!“ endet.


Oli öffnete die Tür von Janos’ Arbeitszimmer. Wie üblich standen seine braunen Haare leicht gewellt in alle Himmelsrichtungen ab. Er lehnte sich lässig an den Türrahmen und wedelt nonchalant und ohne ein Wort zu sagen mit zwei Codekarten. Janos blickte von seinen Studien hoch und seufzte lautlos.
Seit einer Woche war Oli 16 und durfte nun offiziell einen Gleiter fahren. Zusammen mit seinem besten Freund Janos übte er schon seit Monaten im Simulator. Janos war älter und hätte demnach schon früher einen Gleiter fahren dürfen. Aber erstens wollte er das Vergnügen nicht alleine unternehmen, so sagte er seinem Freund und seiner Familie - und zweitens war sich Janos gar nicht so sicher, ob es so ein großes Vergnügen sein würde mit dem Gleiter durch die Wolken zu ziehen. Klar, diese Freiheit über den Wolken, die reizte ihn, schon im Simulator macht das Gleiten viel Spaß, aber andererseits war in echt kein weicher Boden unter ihm, der ihm im Falle eines Falles sanft auffangen würde.


Oli redete seit Monaten von nichts anderem als ihrem ersten Gleitfahrabenteuer, doch Janos hatte sogar schon Albträume vom Abstürzen bekommen. Er träumte davon, wie eine Bö den Gleiter verwirbelte, wie die Motoren versagten, der Gleiter ins Trudeln kam und der Boden immer näher kam. Oli kannte solche Ängste nicht, und wenn doch, ließ er sich davon nicht so stark beeinflussen. Oli war der Unternehmenslustigere der beiden Freunds. Immer für ein Abenteuer gut machte er sich über mögliche Risiken keine großen Gedanken. Er war der Erste, der “hier” schrie, wenn es darum ging, Sachen auszuprobieren. Er schien keine Furcht zu kennen und keine zweiten Gedanken zu hegen, wenn er sich einmal entschieden hatte. Damit war er seinem Ziehvater Marke ähnlicher wie dessen leiblicher Sohn Janos. Der vaterlose Oli und Janos verbrachten so viel Zeit zusammen, dass Markes zwar nicht nominell, aber in allem, was zählte, der Ziehvater von Oli war. Janos dagegen war im Herzen, so sagte sein Vater, kein Soldat wie er selber, sondern ein Poet. Er neigte zum Träumen, zum Hinterfragen und zum Zaudern. Markes war froh über die Freundschaft, die beide so gut ergänzte. Janos bremste Olis Überschwang  und Oli rieß Janos aus seinen Grübeleien.
“Der Ka-on-Berg, Janos, wir fliegen über die Ebene!”
“Tun wir das?”
“Ich hab schon geklärt, wir können zwei Gleiter ausleihen. Wir müssen noch vor dem Morgengrauen los, es ist ja ein weiter Weg. Aber es wird sich lohnen!”
“Wird es das?”
“Das wird super!”
Und mit diesen Worten war Oli auch schon verschwunden. Er kannte seinen besten Freund und wusste, dass er sich erst gar nicht auf Diskussionen einlassen durfte. Janos würde da sein, denn er wollte überzeugt werden, egal, wie zaudernd und ängstlich er auch sein würde.
Und so war es auch.
Janos war frühmorgens zur Stelle. Die beiden Jungs hatten genügend Tagestouren zusammen verbracht, so dass die Aufteilung klar war. Janos brachte Streckenmesser, Karten und Pläne sowie Proviant für sie beide. Oli besorgte die passende Ausrüstung, in diesem Fall die beiden zusammenfaltbaren Gleiter, und die Erste-Hilfe-Ausrüstung, da er Jungheiler war.
Schweigend gingen sie los. So früh am Morgen neigte keiner von ihnen zum Plaudern. Bis die Sonne aufging, hatten sie eine gute Strecke zurückgelegt und machten eine erste Pause. Der Ka-on-Berg ragte vor ihnen auf. Von diesem hohen Punkt aus also wollten sie ihren ersten Gleitflug machen.
“Es ist nur logisch, Janos - wenn wir diesen Berg gleiten können, dann können wir alles gleiten.”
‘Ja - wenn…’, dachte Janos und fühlte langsam das Unbehagen in sich aufsteigen. Die nächsten Stunden dozierte er über die Wind- und Wetterverhältnisse am Berg und ging noch einmal alles Wissenswerte über das Gleitfahren durch, was sie in Theorie und Praxis zusammen geübt hatten.
“Bleib locker, was soll schon passieren? Gleitfahren ist so sicher wie - naja, fast so sicher wie bsp. Hooverfahren.”
Und doch waren auch da schon Unfälle passiert.
Die Strecke auf den Berg zog sich, eigentlich, sie mussten erst ein langes Tal entlangwandern und dann auf den Berg steigen, doch heute ging die Zeit für Janos Empfinden viel zu schnell vorbei.
Oli begann irgendwann ein Lied zu singen und Janos stimmte ein. Was gab es schöneres, als mit Harmonien auf den Lippen durch das Land zu ziehen?
Auf einem Felsvorsprung machten sie erneut Pause und aßen den mitgebrachten Proviant. Unter sich sahen sie das Land ausgebreitet, majestätisch, gewaltig, endlos.
“Darüber werden wir gleiten, Janos!”
“Ja”, atmete Janos ein.
Was es wohl für ein Gefühl sein würde, die Wälder und Flüsse und ihre kleine Siedlung unter ihnen, die Berge im Hintergrund und über ihnen nur die Wolken, den Wind in den Haaren, und frei sein, einfach frei…
Der Gipfel des Ka-on bestand an einer Seite aus einer Felswand. Die Winde zogen darüber und zerrten an ihnen. Es war ein perfekter Ausgangsort für einen Gleitflug.
Sie entklappten die Gleiter und checkten sie technisch durch, wie sie es gelernt hatten. Dann zogen sie die Gleitoveralls an, zogen ihre Rucksäcke auf und schlüpften in die Gleiterhalterung. Die gewohnte Routine half ihnen.
Sie traten an die Kante.
“Schau dir das an, Mann…”, flüsterte Oli, fast ehrfürchtig.
“Es ist …”, begann Janos und verstummte dann. Ihm fehlten die Worte.
Sie sahen sich an, wortlos. Oli versuchte, Janos Mut und Zuversicht zu geben.
“Lass uns auf drei starten”, schlug Oli vor.
“Ok”, sagte Janos. Sein Mund war seltsam trocken.
Sie traten einige Schritte von der Kante zurück, schätzen die Strecke ab, die sie für den Anlauf brauchen würde.
Oli zog die Fliegerbrille über die Augen.
“Bereit?”, fragte er.
‘Eigentlich nicht und eigentlich schon’, dachte Janos und sagte: “Ja.”
Auch er zog die Brille von der Stirn herunter über die Augen. Gleich würde es soweit sein.
“Eins, zwei, drei”, zählte Oli und rannte dann los.
Janos folgte ihm nach einem Herzschlag des Zögerns. Ein Schritt, zwei Schritte, drei Schritte, jetzt die Kante, er zog die Beine an - Oli war schon vor ihm, schwebte in der Luft, er musste einfach immer nur seinem besten Freund nach - der Wind erfasste den Flügel des Gleiters, hob ihn hoch, er flog, er flog, er konnte tatsächlich fliegen!
     


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Über den #WritingFriday:  Elizzy von Readbooksandfallinlove hat ihn ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Eine Geschichte, ein paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt -  alles ist möglich.

Die Themen für den Juli

  • Dein Schreibtisch erzählt aus seinem Alltag.
  • Schreibe eine Story, bei der folgende Wörter irgendwo darin auftauchen:
    Sonnenschein / ungeduldig / Kunststück / Raupe / Sommergewitter
  • Erstelle eine Pro und Contra Liste zum Thema:
    im Buchladen einkaufen vs. Bücher in Bibliothek ausleihen. Welche Seite gewinnt?
  • Du hast die Möglichkeit für einen Tag ins Weltall zu fliegen oder 300 Jahre in die Zukunft zu reisen. Welche Wahl triffst du?  Erzähle wieso du dich so entschieden hast.
  • Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz „Er konnte tatsächlich fliegen!“ endet.

6 Kommentare:

  1. Hey Daniela,
    Du hast dieses Auf und Ab zwischen der Angst vor und Sehnsucht nach dem Fliegen sehr schön eingefangen. Da bekommt man selbst Lust, nun ja und Angst. ;)
    Grüße, Katharina.

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    1. :) Ja - und ich muss zugeben, dass ich schon beim Schreiben total gefangen war von den Gefühlen!

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  2. Hallo Daniela,

    mir gefällt an der Geschichte wie die Handlung Janos und Oli charakterisiert und die gute Freundschaft, aber auch die Gegensätze beider herausarbeitet. Schöner Fokus auf das Wesentliche zudem :).

    Liebe Grüße
    Sebastian

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    1. Hallo Sebastian,
      ja, ich hatte die beiden gleich im Sinn für die Aufgabe, da das Gleiterfliegen gut ihre Beziehung auf den Punkt bringt

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  3. Liebe Daniela,
    ich wäre mit Janos sehr gerne mitgeflogen! Er scheint ganz nach meinem Geschmack zu sein. Ich mag es, wenn männliche Wesen nicht immer im Vordergrund stehen wollen, sondern eher zurückhaltend und emotional sind.
    Freue mich, dass er seine Angst überwinden konnte. :-)
    GlG, monerl

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    1. Janos ist tatsächlich sehr cool, aber er hat die Seele eines Poeten (ganz im Gegensatz zu seinem sehr robusten und unbekümmerten Freund). Wenn's drauf ankommt, gewinnt dann aber die Abenteuerlust - man muss sich damit ja nicht leichttun.
      Freut mich, dass du ihn magst :)

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