Montag, 6. November 2017

[#mutzurnische] Das viktorianische Zeitalter in "Das Geheimnis der Madame Yin"

Mut zur Nische - Bücher abseits des Mainstream

Beitrag im Rahmen der Aktion #mutzurnische zum Buch Das Geheimnis der Madame Yin - ein viktorianischer Krimi 

szenisches Cover, London
mein erster viktorianischer Krimi

Roman, 410 Seiten
Pro Talk, März 2017
Genre: historischer Krimi
ISBN:  978-3939990345
hier das Buch bei Amazon


Über das Buch


1877. Ein neuer Auftrag führt die Pinkerton-Detektivin Celeste Summersteen von Chicago weg nach London. Sie soll auf die junge Dorothea achtgeben, die nach einem mehrmonatigen Aufenthalt bei ihrer Tante zurück zu ihrer Familie reist.
Die Tante macht sich Sorgen, denn Dorotheas Freundin wurde ermordet und Dorothea hat offensichtlich Angst davor, zurückzukehren, aber spricht nicht über den Grund. Celeste soll auch den Mörder finden.
Unterdessen finden Schiffer in der Themse eine weitere Tote, die auf die gleiche Weise ermordet wurde wie Dorotheas Freundin. Es ist Madame Yin, Besitzerin mehrer Freudenhäuser und Opiumhöhlen. Inspector Edwards und Sergeant Fulston von Scotland Yard nehmen die Ermittlungen auf. Das Celeste - Zivilistin und Frau - sich in die Errmittlungen "einmischt" , stößt bei Edwards auf Befremden.





Blogtour - Das Viktorianische Zeitalter


Ein viktorianischer Krimi - dieses Genre hat mich gleich angesprochen. ich hatte noch nie einen Roman, geschweige denn einen Krimi, gelesen, der in dieser Zeit spielt. Und in der Tat gab das Setting dem Buch eine besondere Note. Doch was zeichnet es überhaupt aus, das viktorianische Zeitalter?

Als viktorianisches Zeitalter bezeichnet man die Epoche von 1837 bis 1901. Der Begriff wird vornehmlich für die britische Geschichte verwendet, denn es bezeichnet den sehr langen Regierungszeitraum Königin Viktoria. Britische Königinnen scheinen ja zu langen Regierungszeiten zu neigen...

Das viktorianische Zeitalter umfasst 70 Jahrzehnte und während dieser Zeit hat sich viel verändert. Es war eine Zeit des Aufschwungs, die industrielle Revolution technisierte das Land und die Wirtschaft florierte. In jedem Bereich gab es umfassende Neuerungen, egal ob Technik, Medizin, Weltwissen, Menschen- und Frauenrecht oder Mode. Das Ende des viktorianischen Zeitalters hat schon mehr mit unserer "modernen" Zeit zu tun wie der Beginn. Viele Themen, die Ende des 19. Jhdts aufgegriffen wurden, fanden dann im 20. Jhdt ihren Höhepunkt. 

Vorgestern hat euch Sandra Florean etwas zu der Rolle der Frau erzählt. Ich gebe euch heute einen punktuellen Einblick in die Zeit an sich, bevor es übermogen bei Jasmin speziell um London damals und heute geht.

Neuerungen und Erfindungen


"Das Geheimnis der Madame Yin" spielt im Jahr 1877, so dass ich mich bei meiner Betrachtung wenn möglich auf diesen Zeitraum konzentriert habe.
Die 1870er sind ein Jahrzehnt voller Neuerungen, Erfindungen und Neuzusammensetzungen von kulturellen und gesellschaftlichen Idealen. (The Gaiety-Girl)

1877 - der deutsch-französische Krieg ist seit sechs Jahren zuende. Friedrich Engels arbeitet an seiner Schrift. Viele Expeditionen erforschen die Arktis und andere Erdteile. Telegrafie ermöglicht das schnelle Verbreiten von Informationen, durch das Transatlanktikkabel wachsen die Erdteile auch informationstechnisch zusammen.

Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Produktivitätsanstieg und Existenzkampf sind die Stichworte für den Arbeitssektor. Beginnender weltweiter Handel - die Welt wuchs zusammen. Dampfbetriebene Eisenbahnen mit ihrer Geschwindigkeit von 50km/h und Dampfschiffe sorgen für eine erhöhte Mobilität. Innerhalb der Stadt waren aber noch Pferdeomnibusse und Pferdekutschen gebräuchlich. Bis zu Bertha Benz berühmter Fahrt sollte es noch 11 Jahre dauern.

Fotografien


Ab den 1840er Jahren kamen Fotografien in Mode, sie waren zwar sehr teuer, aber günstiger als ein gemaltes Porträt. Zum Fotografen zu gehen war etwas besonders, das man nicht oft tat. Die Belichtungszeiten waren lang und oft wurde nur ein- oder zweimal ausgelöst; mit komischen Gesichtsausdrücken, verwackelten Körpern oder zufällig geschlossenen Augen musste man dann leben. (Quelle z.B. hier).


Medizin


Auch in der Medizin hat sich viel getan. Narkose war seit etwa 30 Jahren eingeführt. Es waren die Zeiten von Ignaz Semmelweis, Louis Pasteur und Robert Koch, die die Menschen über Bakterien und Antiseptik aufklärten. Röntgen stand kurz vor seiner Entdeckung der Röntgenstrahlen (1895).

 

Soziales

Kinderarbeit war weit verbreitet. 1877 lag das Mindestalter für die Arbeit in Fabriken bei neun Jahren, es wurde im Deutschen Reich 1878 auf zwölf Jahre angehoben. Die erlaubte Höchstarbeitszeit lag bei zehn Stunden. Kinder wurden nicht so gut bezahlt wie Erwachsene, das war der eigentliche ökonomische Vorteil der Kinderarbeit für die Unternehmer. Doch auch immer mehr Kinder gingen zur Schule, die Bildung wurde wichtiger.

Tatsächlich besuchten in den 1870er Jahren 90 Prozent der Schulpflichtigen in Preußen die Schule, 1880 waren es fast 100 Prozent. (bpb)

Mode


Und was trugen die Menschen so? Kinder trugen entweder eine kleine Erwachsenengarderobe oder den sehr beliebten Matrosenanzug. Für die Jungen mit kurzen Hosen und für die Mädchen mit knielangen Rock.

Herrenmode war sehr schlicht, zweckmäßig und in gedeckten Farben; sie veränderte sich auch fast nicht.

Die Damenmode war deutlich veränderungsfreudiger, aufwändiger, farbenfroher, aber auch unpraktisch und schwer. Vor allem deshalb, weil sie aus vielen Lagen bestand. Eine Dame aus gutem Haus kleidete sich 1875 ungefähr so: Zunächst lange Unterhosen (Drawers), die bis unter das Knie gehen. Dann ein Hemdkleid mit Puffärmeln, die Chemise. Dann folgte das Korsett über die Chemsie. An der Hüfte wurde die Tournüre befestigt, ein Stahlgestell, über das ein Unterrock gezogen wurde. Dann kam die Untertaille. Die gesamte Unterwäsche wiegt ungefähr drei Kilogramm. Nun musste die Dame noch Rock, Mieder, Schultertuch oder Mantel und Schuhe anziehen, Hut und Schmuck nicht zu vergessen. Das Haar aufgesteckt, Fächer und Sonnenschirme als modisches Accessoires. Alles in allem gut 10 bis 15 Kilogramm an Kleidung. Ein durchaus beschwerliches Unterfangen.

Die Rational Dress Society nahm sich diesem Problem an. Sie legte Gewichtshöchstgrenzen für  Kleidungsstücke fest und propagierte Reformkleidung. (Die Beiträge von Gaiety-Girl, z.B. dieser hier geben Aufschluss.)



Weitere Beiträge zur Mut-zur-Nische-Aktion

31.10. Buchvorstellung - Karin Konrath / Die zauberhafte Magie der Buchstaben
2.11. Interview mit dem Autor - Diana Drewes / Abendsternchen
3.11 Covervorstellung - Karin Konrath / Die zauberhafte Magie der Buchstaben
4.11. Die Rolle der Frau Ende des 19. Jahrhunderts - Sandra Florean
6.11. Das viktorianische Zeitalter - heute und hier bei mir
8.11. Faszination London - damals und heute - Jasmin Wurzel / Bücherleser
10.11. Zusammenfassung aller Beiträge - Sandra Florean



7 Kommentare:

  1. Hallo liebe Daniela,
    ein sehr schöner Beitrag über eine aufregende, wenn auch teilweise düstere Epoche. Die Gewichtshöchstgrenzen für Kleidungsstücke kannte ich noch gar nicht. Das finde ich als Kostümschneiderin besonders spannend und werde da direkt mal weiter recherchieren.

    Vielen Dank für den schönen Beitrag zu unserer Mut zur Nische Bloggeraktion

    Sandra

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    1. Hallo Sandra,
      für das viktorianische Zeitalter hatte ich mich vor diesem Buch gar nicht interessiert - und jetzt finde ich es höchst faszinierend. Ich glaube, gerade über die Mode könnte man dutzende Beiträge schreiben. Das Gaiety-Girl, auf die ich verlinkt habe, hat auch in diesem Bereich sehr viele hervorragend recherchierte Artikel zu bieten.
      Auch aus so einem Grund schätze ich unsere Mut-zur-Nische-Aktionen, es erweitert den Horizont und es sind immer sehr interessante Beiträge dabei.
      Liebe Grüße
      Daniela

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  2. Hey Daniela,

    ich hab schon viel Gutes über das Buch gehört. Allerdings ist es wohl leider nicht so mein Geschmack :D Ich lese ja eher selten Krimis...

    Liebe Grüße
    Charleen

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    1. Hi Charleen,
      es gibt auch keine größere Nebenhandlung neben dem Krimi-Anteil, schade für dich. Aber gibt ja noch so viele andere Bücher.
      Grüße
      Daniela

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  3. Hallo Daniela,

    spannend, spannend!
    Aber das 1880 fast 100% der Kinder zur Schule gingen, kann ich kaum glauben, wenn ich da an das Buch von Ken Follett "Sturz der Titanen" denke.
    Meine Oma (geb 1912) ging zwar zur Schule, musste aber um 4h aufstehen, die Kühe auf die Weide bringen und danach beim Pfarrer Blasebalgen treten. Und nach der Schule wieder schuften.

    Ich lese gerade "Die Flüsse Londons" (kennst Du es?), da wird auch mal vom Edwardschen Zeitalter geredet. Gerade mal gegooglet, es gab so viele Edwards.

    Ob man in 100 Jahren vom elisabethschen Zeitalter redet?
    Danke jedenfalls für diesen interessanten post!

    Liebe Grüße
    Lilly

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    1. Hallo Lilly,
      stimmt, den Punkt hätte ich präzisieren sollen - es kommt hier drauf an, von welchem Land/Gebiet wir reden. Der Trend ist jedenfalls so, dass ab dieser Zeit immer mehr und mehr Kinder in die Schule gingen.
      Vielen Dank für den Bericht über deine Oma! Wo hat sie damals gelebt?
      "Die Flüsse Londons" kenne ich nicht.
      Ja, spannend - das elisabethanische Zeitalter. Oder, auf Deutschland bezogen: Die Merkel-Jahrzehnte? :D
      Grüße
      Daniela

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    2. Liebe Daniela,

      meine Oma ist in der Nähe von Prag aufgewachsen. Als sie geboren wurde, war das noch Östereichische-ungarische Monarchie, danach die Tschechei. Ich bin mal mit ihr zusammen in das Dorf gefahren,in dem sie aufgewachsen ist. Das war schon beeindruckend. 2 oder 3 Jahre nach der Wende. Wir hatten da auch noch Verwandte und die waren schon sehr arm. Zu viert in zwei Zimmern und Dinge, die für mich damals selbstverständlich waren (ich war 17), wie eine Cola zu kaufen, konnten sie sich gar nicht leisten. Das war auch wirklich ein super kleines Dorf. Während des Krieges hat meine Oma in Prag gewohnt und da hat sie mir damals auch viel gezeigt. Ich wünsche mir oft, ich könnte sie heute nochmal einiges fragen, was ich damals noch gar nicht verstanden habe.

      Das mit den Merkel- Jahrzehnten könnte ich mir gut vorstellen. So wie auch Theatcher ein Begriff ist und Kohl immer einer bleiben wird. Hätte Kohl sich das mit seiner Spendenaffäre nicht alles selber verbockt, wäre er sich auch presenter.

      Ich mag Geschichte unteranderem so gerne, weil sie uns zeigt, dass alles vergänglich ist. Auch die Probleme, bei denen man meint, sie bringen einen um - oder bringen die Gesellschaft um. In 50 Jahren werden wir uns über die heutigen Probleme keine Gedanken mehr machen.
      Auch wenn die Anschläge schwer auszuhalten sind, ich versuche dann immer zu denken, es gab auch mal die RAF und die IRA. Und wir haben es überlebt und überwunden.

      Liebe Grüße
      Lilly

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