Montag, 22. Januar 2018

Mario und der Zauberer von Thomas Mann

Thomas Mann auf dem Cover
Mario und der Zauberer

Sammelband mit 2 Geschichten, 123 Seiten
Fischer Taschenbuch Verlag, Januar 1987
Erstveröffentlichung 1930
ISBN: 3-596-21381-9
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Woher: Alte Schullektüre, geschenkt bekommen

Erster Satz

Die Erinnerung an Torre di Venere ist atmosphärisch unangenehm.

Zusammenfassung


Der Reisebericht eines Familienvaters im italienischen Torre di Venere und der Besuch eines Magierabends, das in einem besonderen Schauspiel endet.



Persönlicher Eindruck



Die Novelle ist in der Ich-Form geschrieben, ein Familienvater erzählt. Er macht mit seiner Frau und den beiden Kindern Urlaub in Torre di Venere. Schon gleich am Anfang deutet er das Ende an und dass die Kinder dabei waren.

Zunächst beschreibt er die Urlaubstage. Die exklusiven Gäste auf der Glasterrasse ihres Hotels, wie sie wegen der Angst einer anderen Muttervor Keuchhusten in ein anderes Hotel mussten, dann der Vorfall am Strand, als die 8-jährige nackt in das Wasser sprang und dies allerlei Empörung hervorrief. Auch die Stimmung am Ort selbst scheint angespannt zu sein, bis hin zu patriotischen Kindern.

Dann kommt der Abend mit Cipolla, dem Magier, den die Kinder ihren Eltern abgetrotzt haben. Schnell wird klar, dass die Darbietung nichts für Kinder ist, dennoch bleibt die Familie und weiß selbst nicht so genau, warum. Cipolla erweist sich als Hypnotiseur, der sein Publikum eher vorführt und verhöhnt. Er ist von mißgestalteter Gestalt, aber sein Willen ist stark und er zwingt ihm den Publikum auf. Gehorchen und Befehlen, so doziert er, eines sei nichts ohne das andere, Herrscher und Volk bräuchten einander.

Politisch motiviert, so nennt man diese Novelle, und man kann ganz klar die 30er Jahre erkennen, die Strömungen von Nationalismus, von Gewalt, Unterdrückung, Befehlen.

Der Ich-Erzähler ist einerseits nur ein Beobachter, andererseits nimmt er selbst aktiv am Geschehen teil, einfach dadurch, dass er dortbleibt und auch die Kinder da lässt. Cipollas Show erweist sich wie ein Sog, dem sich keiner im Saal entziehen kann. Die Kinder schlafen viertelstundenweise, wachen dann wieder auf, während die Show im Saal auf ein entsetzliches Ende zusteuert. Das wohl unvermeidbar war und die Stimmung, den Bann löst.

Die Sprache ist genau und verdichtet und von hoher Qualität.


Diese Novelle gefiel mir um einiges besser wie Tonio Kröger. Ich hatte das Gefühl, näher dran zu sein am Geschehen und dass die Geschichte nicht so bemüht immer das gleiche Thema wiederkäut. Nun werde ich noch "Tod in Venedig" lesen von Thomas Mann, denn aller guten Dinge sind drei!



Lesen oder nicht?


Diese Novelle lässt sich gut an einem Abend durchlesen, der Sog, den der Ich-Erzähler spürt, der befällt auch den Leser. Gut beobachtende Strömungen der 30er Jahre. Lesenswert. Und auch gruselig, wenn man sich vorstellt, wie nur kurz danach mit Hitler ein tatsächlicher Führer Massen die politische Bühne betritt.



Gesamtbewertung


Voller Stern
Voller Stern
Voller Stern
Halber Stern
Leerer Stern

Gute Unterhaltung mit Tendenz zum Sofa-Fessler, aufgrund der leider wieder aktuellen und treffenden Beobachtungen und der gelungen Beschreibung, die mich das Buch in einem Rutsch durchlesen lies.


3 Zitate


Man verstand bald, daß Politisches umging, die Idee der Nationen im Spiele war. Tatsächlich wimmelte es am Strand von patriotischen Kindern, - eine unnatürliche und niederschlagende Erscheinung. [S. 76]

Soll man "abreisen", wenn das Leben sich ein bißchen unheimlich, nicht ganz geheuer oder etwas peinlich und kränkelnd anläßt? Nein doch, man soll bleiben, soll sich das ansehen und sich dem aussetzen, gerade dabei gibt es vielleicht etwas zu lernen. [Zufallszitat, S. 79]

Die Fähigkeit, sagte er, sich seiner selbst zu entäußern, zum Werkzeug zu werden, im unbedingtesten und vollkommensten Sinne zu gehorchen, sei nur die Kehrseite jener anderen, zu wollen und zu befehlen; es sei ein und dieselbe Fähigkeit; Befehlen und Gehorchen, sie bildeten zusammen nur ein Prinzip, eine unauflösliche Einheit; wer zu gehorchen wisse, der wisse auch zu befehlen, und ebenso umgekehrt; der eine Gedanke sei in dem anderen inbegriffen, wie Volk und Führer ineinander einbegriffen seien ... [S. 97]


Hinterlasst mir gerne einen Link zu eurer Rezension, ich verlinke sie dann hier!


Weitere Meinungen

2 Kommentare:

  1. Liebe Daniela,

    aber umgehauen hat es Dich wohl nicht? Was fandest Du nicht so gut?
    Ich kenne ja nur den Zauberberg von Mann und habe 10 CDs lang drauf gewartet, zu verstehen, was alle so toll daran finden. ;) Ich habe es nicht rausgefunden. Manchmal denke ich, es heute nochmal zu lesen, weil ich es heute vielleicht besser verstehe. Aber das ist eine mühsame Sache, wenn man statt dessen 1000 andere Bücher hat, die einen interessieren.
    Gestern habe ich mir mal wieder Reich-Ranicki auf you tube angehört und wie er von Buddenbrooks geschwärmt hat. Aber es interessiert mich leider so gar nicht.

    Liebe Grüße
    Petrissa

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    Antworten
    1. Hi Petrissa,
      nein, umgehauen und mein Leben verändert hat es nicht. Die Frage ist schwierig, es gab eigentlich nichts, was ich nicht gut fand. Gepackt hat es mich schon, es hat so einen Sog verspürt, andererseits hab ich aber auch ein bisschen Längen verspürt. Gut, dass es eine Novelle ist. Übrig bleibt dieses Gefühl, wie die 1920er Jahre einen fiebrigen Sog verströmt haben. Deshalb lesenswert.
      LG - Daniela

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