In unnachahmlicher Weise berichtet Hape Kerkeling von seiner Kindheit im Ruhrpott; von der buckligen Verwandtschaft, den Depressionen und dem Freitot seiner Mutter, von Freunden, Humor und Gott.
Persönlicher Eindruck
Ich bin von Hapes Kindheitserinnerungen wirklich begeistert, bewegt, tief berührt. Es ist ein liebevoller Blick zurück auf den kleinen Hans-Peter, den der erwachsene Hape da wirft. Ich litt mit, ich lachte mit, ich saß mit am Küchentisch... Auch Tage nach Beenden dieses Hörbuchs ist mir alles noch präsent.
Es ist ungeheuer mutig, wie Hape hier Themen wie die Depressionen und den Suizid seiner Mutter aufgreift und darüber spricht. Wie ihm als kleiner Junge das Schlimmste passiert ist, das einem Kind passieren konnte, und wie er das heil überstanden hat. Ich denke, dass er hier vielen Betroffenen Mut macht, durch diese Ehrlichkeit. Seine Großeltern, speziell die von ihm verehrte Oma Berta, haben einen entscheidenen Anteil. Solche bedingungslose Hingabe und Liebe, wie es seine Großeltern gezeigt haben, ist herzenswärmend. Und ein großes Vorbild. Die Szene ziemlich am Ende des Buches ist der Knaller, als seine Großmutter am Kaffeetisch zur versammelten Familie sagt, man soll sich schon jetzt damit abfinden, dass der 14-jährige Hans-Peter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit "Junggeselle" bleiben wird und man soll ihn nicht nerven mit Fragen, ob er "eine kleine Freundin" habe. Was für großartige Großeltern, die begreifen oder ahnen, das ihr Zögling schwul ist und ihn daraufhin so eindeutig versichern, dass es für sie kein Problem ist.
Generell mochte ich seine bunte, lärmende Verwandtschaft sehr. Speziell zu seinen beiden Großmüttern hat er ein enges Verhältnis und begreift sich selber als Mischung aus seiner sehr extrovertierten Großmutter Änne und seiner liebevollen und anpackenden Großmutter Berta. Er ist ernsthaft, gläubig, pragmatisch, unangepaßt, humorvoll, willensstark und etwas dominant.
Auch über sein Verhältnis zu Gott, das ja ein sehr persönliches ist, berichtet Hape, oft auch zwischen den Zeilen. Seine spirituelle und freundliche Ader kommt hier gut zum Vorschein. Und es wird deutlich, dass sich sein Humor nicht mit seiner Spiritualität ausschließt. Humor, die Menschen zum Lachen zu bringen, das begreift Hape als seine Mission. Menschen, die vielleicht am Ende ihrer Kräfte sind, die viel zu schultern haben, ein wenig Unterstützung zu geben - Humor ist die beste Medizin. Das hat mich tief bewegt und gerührt.
Hape selbst hat sein Buch gelesen und ich habe ihm gebannt gelauscht. Er setzt die Betonungen so, wie sie ihm richtig erscheinen. Die Dialekteinschübe und die Zitate seiner Figuren wie Horst Schlämmer sitzen natürlich und sind eine Freude, zuzuhören. Auch fand ich ergreifend beim Hören, wie seine Stimme - je nach Stelle im Buch und der Stimmung - tiefer oder höher, ernster oder lustiger klang.
Lesen oder nicht?
Lesen, einfach nur lesen, bzw. am Besten hören! ⭐⭐⭐⭐⭐
Bibliographische Daten
Titel: Der Junge muss an die frische Luft
Untertitel: Meine Kindheit und ich
Autor: Hape Kerkeling
Sprache: Deutsch
Ausgabe: Hörbuch
Ungekürzte Ausgabe, gelesen vom Autor
Dauer: 7' 45''
Verlag: HörbucHHamburg HHV GmbH
Erscheinungsdatum: Oktober 2014
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