#writingfriday |
Das kleine rote Fahrrad
Eine Liebeserklärung an das erste Fahrrad
Aufgeregt dreht das kleine Mädchen den Saum seines Rockes hin und her, dreht ihn nach oben und wieder zurück. Den Opa lässt es keine Sekunde aus den Augen. Endlich hat er die Haltegurte gelöst und hebt das Fahrrad aus dem Kofferraum. Ihr Ostergeschenk. Sie hüpft von einem Fuß auf den anderen. Dann stellt der Opa das Fahrrad mitten in die gepflasterte Einfahrt, wirft einen prüfenden Blick drauf und nickt.
Das kleine Mädchen erlebt zum ersten Mal in seinem fünfjährigen Leben Ehrfurcht. Es wagt kaum zu atmen als es sich dem Fahrrad nähert. Behutsam streicht es über den Sattel. Da steht es - rot, mit weißen Griffen am Lenker und weißen Stützrädern. Sein erstes eigenes Fahrrad in seiner Lieblingsfarbe rot.
"Setz dich mal drauf." fordert die Mutter es auf und das Mädchen schwingt etwas unbeholfen ein Bein über den Sattel. "Na, das ist noch ein bisschen zu groß." sagt der Vater "steig nochmal ab.". Ebenso unbeholfen schwingt das Mädchen das Bein wieder zurück.
Der Vater schraubt am Sattel herum während das Mädchen neben ihm wieder seinen Rock hin und her dreht und versucht, alles ganz genau zu sehen. "Was machst du da?". "Tiefer stellen, damit es für dich paßt. So, nun probier noch mal."
Diesesmal sieht es schon etwas weniger mühsam aus, als sie auf den Sattel aufsteigt. "Ja, geht besser." strahlt sie in die Runde. Der Opa hebt das Rad vorn am Lenker fest während die Mutter den Fahrradständer einklappt. Das Mädchen hat immer noch einen Fuß auf den Boden und versucht, das Rad im Stand zu balancieren. Immer wenn das Rad zu einer Seite kippt fangen die Stützrädchen es ab.
"Nun fahr mal los." fordert die Oma auf.
"Okay" sagt das Mädchen und dann etwas ratlos "aber wie denn?"
"Einfach treppeln" sagt der Vater.
Entschlossen greift das Mädchen den Lenker fester, kneift die Augen konzentriert zusammen und streckt unbewusst die Zungenspitze heraus. Es holt noch einmal tief Luft und tut etwas äußerst mutiges und beherztes, das sein Leben verändern wird: Es fährt Rad.
Kräftig tritt sie in die rechte Pedale, dann in die linke, und da kommt schon wieder die rechte nach oben, sie tritt dagegen, und - hurra - da hat erneut die linke Pedale die Umdrehung beendet und sie tritt sie wieder runter. Das Fahrrad schwankt hin und her, sie reißt ruckartig den Lenker mal in die eine, mal in die andere Richtung. Schebbernd fangen die Stützräder das Rad ab und halten es auf Kurs.
Nur aus dem Augenwinkel sieht sie, dass die Oma begonnen hat, hinter ihr herzurennen und bereit ist, einzugreifen. Aber das ist gar nicht nötig.
Jetzt fährt das Mädchen die erste Kurve seines Lebens. Großartig ist das! Breit grinsend kehrt es zu seiner Familie zurück. Die Bremse drückt sie zu spät, aber der Vater stoppt ihr kleines rotes Rad am Lenker.
"Und, wie fährt sich's?" fragt er.
"Toll" sagt das Mädchen "nochmal". Und wieder fährt sie eine Runde, von der gepflasterten Einfahrt runter, die Straße hinein bis zum Wendeplatz und dann wieder zurück. Fröhlich winkend und jauchzend fährt sie an ihrer Familie vorbei, der große Schlenker wird von den Stützrädern abgefangen.
"Wir werden sie nicht mehr stoppen können, weißt du.", sagt die Mutter zum Vater. Und brummend der Opa: "In sechs Wochen können wir die Dinger wegschrauben."
Hin und her fährt das Mädchen. Es hat begonnen, während der Fahrt ein Lied zu singen. Der Vater, die Oma und der Opa sind unterdessen schon ins Haus gegangen, haben Kaffee aufgesetzt und den Osterkuchen in Stücke geschnitten. Allein die Mutter steht noch da, beobachtet lächelnd ihre Tochter und winkt ihr unverdrossen Runde um Runde zu.
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Dieser Text ist autobiographisch inspiriert, mein erstes Fahrrad sah tatsächlich so aus. Und ich hatte so eine große Familie und hab, wenn ich nervös war, meinen Rock hoch in die Luft gehoben und wieder runter und so weiter (was mit ein Grund war, warum ich dann lange Zeit nur noch Hosen getragen hab). Allerdings ist meine erste Fahrt vielleicht so ähnlich gewesen, aber nicht genau so passiert, auch die Umgebung stimmt nicht hundertprozentig mit dem tatsächlichen Schauplatz überein.
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Den #WritingFriday hat Elizzy von Readbooksandfallinlove ins Leben gerufen, um das kreative Schreiben zu fördern. Jeden Monat gibt es verschiedene Themen, aus denen man wählen kann. Eine Geschichte, ein paar Zeilen, ein Gedicht, ausgedacht oder selbst erlebt - egal, Hauptsache, man übt das kreative Schreiben. Ich bin schon gespannt, wie euch meine literarischen Gehversuche gefallen. Konstruktive Kritik und auch Lob sind gern gesehen.
Die Themen für den März:
- Ferdinand Friedrich läuft im Jahr 2073 über die Frankfurter Buchmesse und schreibt von dort seiner Frau Martha eine Postkarte
- Du lebst als Obdachloser auf der Strasse. Beschreibe deinen Blick auf die Menschen, die vorbeigehen.
- Beschreibe Gesicht und Gestik eines Menschen, den du liebst.
- Schreibe den Anfang einer Geschichte, die mit dem Satz beginnt: Natürlich hätte man längst wissen können, dass Maja nicht die Wahrheit sagte.
- Schreibe eine Liebeserklärung an dein erstes Fahrrad / Auto.
Oh liebe Daniela,
AntwortenLöschenDu hast mir gerade ein dickes Lächeln ins Gesicht gezaubert! ♥ ♥ ♥
Ich liebe ja Fahrrad fahren und das schon als Kind. Bei meinen ersten Fahrversuchen (ohne Stützräder) bin ich auch in einem Wendekreis Runde um Runde gerast. Es war Schotter und irgendwann hat es mich hingehaun. Ich war froh, dass es niemand gesehen hat, denn das hätte ordentlich an meinem Ego gekratzt. Ich schüttelte den Schreck ab und furh weiter Runde um Runde. Dabei blieb es bis heute. ;)
Herzlich Grüße und vielen Dank
Petrissa
Hallo Petrissa,
Löschendeine Geschichte ist auch super, ich kann es mir so richtig vorstellen. Total unerschrocken!
Liebe Grüße
Daniela