Dienstag, 31. Juli 2018

[Rezension] Das Lügenhaus von Anne B. Ragde

Das Cover zeigt ein Taubenhäuschen
Lügen in der norwegischen Idylle

Das Lügenhaus
Band 1 von 4
(Einsiedlerkrebse, Hitzewelle, Sonntags in Trondheim)
Autor: Anne B. Ragde
Buch erschienen im btb-Verlag, August 2017
522 Seiten
Familiensaga, Gegenwartsroman
ISBN: 978-3442715701
Affiliate Link zu Amazon
Originaltitel: Berlinerpoplene
Originalsprache: Norwegisch
Übersetzer: Gabriele Haefs

Woher: Rezensionsexemplar des Bloggerportals, dem ich herzlich für das Vertrauen danke


So fängt es an


Als an einem Sonntagabend um halb elf das Telefon schellte, wusste er natürlich, was los war.

Zusammenfassung


Eine Familie voller Lügen und Geheimnisse

Die drei Brüder könnten unterschiedlicher nicht sein.
Der Älteste ist Tor. Er ist bei den Eltern geblieben, hat den Hof übernommen und widmet sein Leben der Schweinezucht. Der Mittlere, Margido, führt ein Bestattungsunternehmen und war einst ein tiefgläubiger Mensch. Und der Jüngste, Eldred. Er ist nach Kopenhagen gezogen, arbeitet dort als Schaufensterdekorateur und lebt in einer langjährigen Beziehung mit Carl "Krumme", der Liebe seines Lebens.
Ewig haben sie sich nicht gesehen. Doch die Mutter hatte einen Schlaganfall, liegt auf der Intensivstation und es sieht nicht gut aus. Da telefoniert Tor die Brüder zusammen - und auch seine uneheliche Tochter Torunn, von der manche Familienmitglieder gar nichts wissen.

Folgende Fragen werden aufgeworfen: Was ist Familie? Was bedeutet sie? Ist Blut dicker als Wasser?

Persönlicher Eindruck


Der Klappentext - und in geringerem Maße meine Zusammenfassung - geben den Roman im Prinzip vollumfänglich wieder. Das bedeutet, dass eine große Handlung gibt. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auf dem inneren Erleben und der Beziehung der Protagonisten untereinander.

Jeder der drei Brüder wird ausführlich vorgestellt. Wir begleiten den alleinstehenden Margido in seinem Alltag als Bestatter. Hier gibt es auch die erste Lüge, denn er glaubt nicht mehr an den Inhalt der christlichen Trostbotschaft. Margido ist professionell mit dem Tod zugegen und er erledigt seine Aufgabe mit viel Ernsthaftigkeit, ist dabei aber fast schon "business-like".

Ganz anders Eldred. Er ist eine Drama-Queen, liebt schöne Dinge, wie seine Swarowsky-Sammlung und geht völlig in seinem Tun auf. Sein Freund "Krumme" sagt dazu, dass er in seiner Begeisterung kindlich geblieben ist. Die Beziehung von Eldred und Krumme ist auffallend harmonisch. Sie lieben sich, akzeptieren auch die Schwächen des anderen, mögen es, den anderen glücklich zu machen. Ich schreibe deshalb "auffallend", weil das bei den Brüdern nicht der Fall ist.

Wie Margido ist auch Tor alleinstehend. Er versteht sich blendend mit seiner Mutter, ist wohl auch ein Muttersöhnchen, der sich nie von ihr lösen konnte. Er hat zwar ein Kind, aber seine Mutter (!) verhinderte, bzw. untersagte, dass er die Kindsmutter heiratete. Und so ging sie von dannen und er hat zu seinem Kind nur telefonischen Kontakt. Trr ist ein sehr einfach gestrickter Mensch. Er kümmert sich um die Schweine, baut Beziehungen zu ihnen auf. Das sind auch die Themen, über die er mit der Tochter spricht, andere Themen klammert er aus.


Die Charaktere sind also gut gezeichnet, die drei Brüder und auch Torrun, die uneheliche Tochter. Von der Mutter erfahren wir nur indirekt, und der Vater ist eine blasse Gestalt, die ungepflegt durchs Haus streift, nur herumkommandiert wurde und die eigentlich niemand so richtig mag.

Der Klappentext übrigens stimmt nicht. Zwar macht der Vater eine unerwartete Aussage, aber nicht am Sterbebett der Bäuerin und ob sie das Leben aller verändern wird, müssen wir noch sehen, denn es geschieht erst ganz am Schluß. Ich kann es nicht leiden, wenn ich durch den Klappentext auf diese Überraschung warte und warte - und dann ist es das Finale ganz am Schluß. Ein schlechtes Beispiel für einen Klappentext.


Interessant ist, wie sich die Protagonisten durch den Schicksalsschlag verändern. Wie Eldred sich seiner ungeliebten Vergangenheit in Gestalt der der homophoben Mutter stellt und Verantwortung übernimmt - wie im Gegenzug der verantwortungsvolle Tor zusammenbricht und sich nicht mehr um die Schweine kümmert.Wie wir erst das Haus zusammen mit Torunn betreten müssen um zu erfahren, wie unglaublich heruntergekommen es ist, denn Tor hat das einfach nicht gesehen und deshalb erfahren wir darüber auch nichts.


Und was mir auch gefallen ist, dass das Buch in Norwegen spielt und das ganze Setting so norwegisch war.


Der Schreibstil ist präzise, die Dialoge lebensnah. Ich bin flüßig durch das Buch gekommen, es hat mich gut unterhalten. Ich glaube aber, dass es mir nicht lange im Gedächtnis bleiben wird, es hat keine Tendenz dazu, ein Lebensveränderndes Buch zu sein (das ist nicht schlimm, die wenigstens Geschichten verändern das Leben).

Das Buch ist Band 1 in einer Reihe von 4 Bänden, evtl. werden die genannten Kritikpunkte sich im Verlauf der Reihe auflösen. Meiner Meinung kann das Buch auch für sich alleine stehen. Ich werde wahrscheinlich weiterlesen, da die Charaktere so liebevoll eingeführt wurden, verspricht das weiterhin unterhaltsamen Lesestoff.


Fazit: Es schadet nie, hinter die Fassade zu blicken und auch die Motive anderer Menschen ernst zu nehmen. Das Handeln anderer Menschen ist nie ohne Grund, es kann nur sein, dass wir die Motive nicht kennen.


Lesen oder nicht?


Familiengeheimnisse auf einem Schweinezüchterhof in Norwegen. Die Geschichte lebt von ihren Charakten und ihren Beziehungen, bzw. Nicht-Beziehungen. Viele liebevolle Details runden das Bild ab und die Geschichte hat mich gut unterhalten, meiner Meinung aber keine Tendenz dazu, dass sie besonders im Gedächtnis bleiben wird, daher eine gute Standardbewertung. Ich mochte auch das norwegische Setting sehr.

Gesamtbewertung: ⭐⭐⭐

(Ein gutes Buch, alle Erwartungen wurden voll erfüllt)


Zitate


Krumme wäre auch glücklich, wenn er ganz allein mit diesem Kind einem Mann leben könnte, mit diesem Talisman der Lebensfreude, ohne einem anderen Menschen zu begegnen... [S. 72]

Während einer Beerdigung ging alles langsam vor sich, die Bewegungen, das Lächeln, das Nicken, alle schienen instinktiv zu wissen, dass in vieler Hinsicht die Ehrfurcht vor dem Tod darin zum Ausdruck kam. [S. 187]

So konnte es durchaus anfangen. Ein wichtiger Mensch auf dem Hof starb, Sauen bereiteten Enttäuschungen, und damit gab es keine Freude mehr an der Arbeit, alles wurde zu wortloser Anklage und Niederlage. [S. 271]

Weitere Meinungen


  • Leseberater schreibt: "Trotz der trüben Stimmung, Trauer, Verfall und verkrampfter Beziehungen sind es fesselnde Bücher mit Momenten zum Lächeln"
  • Phoenix of the ashes hat die starrsinnige Mutter wahnsinnig gemacht, auch weil sie wegen seiner Homosexualiät den eigenen Sohn ablehnt. Torunn erschien die einzig normale
  • Buchhexe schreibt in einer sehr sehr lesenswerten Rezension: "Seitenlange Beschreibungen über das Gefühlsleben von Schweinen oder die Kunst ein Schaufenster zu dekorieren, liest man, als würden einen diese Themen schon immer interessieren. Irgendwann versteht der Leser oder die Leserin, zumindest erging es der Rezensentin so, dass dieser Roman von allgegenwärtigen Konflikten des Lebens erzählt"

1 Kommentar:

  1. Liebe Daniela,
    das ist eine interessante Rezension. Ich habe das Buch ja auf dem eBook-SuB und wollte es, gerade wegen dem Setting, auch mal bald lesen. In Norwegen war ich als Weltenbummler noch nicht. ;-)
    Ich bin schon sehr gespannt auf die Lektüre. Wusste bis dato gar nicht, dass es ein Mehrteiler ist. Aber schonmal sehr gut, das dieses Buch so in sich abgeschlossen ist, wenn du sagst, es könnte auch für sich alleine stehen. :-)
    GlG, monerl

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