Sonntag, 17. November 2019

[Rezension] Irmas Enkel von Leandra Moor

Die Geschichte von Irmas Enkeln.
Irmas Enkelin Anni heiratet 1946 ein zweites Mal. Entgegen ihrer ersten Ehe ist das hier keine aus Liebe, sondern aus Notwendigkeit. Viel musste sie schon ertragen und viel wird sie noch ertragen müssen.

In "Irmas Enkel" nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise durch das Deutschland im zweiten Weltkrieg und die Jahre danach im ostdeutschen Teil Deutschlands bis in die 80er.

Die Autorin Leandra Moor ist 1973 in Sachsen-Anhalt geboren. Auf der Suche nach Lücken in ihrer Familienbiografie deckte sie Familiengeheimnisse auf und sammelte Lebensepisoden. Das Schweigen - ein Dilemma, aus dem dann wieder Konflikte der nächsten Generation entstehen.



Meine Meinung


Ich habe das Gefühl, noch nie einen wahrhaftigeren Roman über deutsche Lebensgeschichten gelesen zu haben. Er stellt sich die Frage, warum wir so sind, wie wir sind. Welchen Anteil hat unsere Biografie, und die unserer Eltern und Großeltern?

Auf dem Bild oben, dem Cover, seht ihr Anni. Sie ist das kleine Mädchen vorne am Gatter, daneben ihre Brüder Willi und Alfred, ihre Mutter Helene und die Großmutter Irma. "Irmas Enkel" erzählt von Anni, ihren Schwägerinnen und Freundinnen. Vor allem Frauen sind es, die die Geschichte weitergeben und von denen erzählt wird. Der Schrecken des zweiten Weltkrieges im ländlichen Perlitz besteht in erhöhten Mühen, die Versorgung der Tiere, des Hofs, der Kinder und der Eltern zu bewerkstelligen, mit Ehemännern, Vätern, Söhnen und an der Front. Mit Not, Entbehrung, Flüchtlingen, Bombenangriffen und vor allem den Nazi-Schwadronnen, die Vorräte, Autos und Arbeitskräfte abholen.

Irma und ihre Tochter Helene wurden vom ersten Weltkrieg geprägt. Schon er sorgte dafür, dass die Männer nicht mehr heimkamen und die Not durch die Lande zog. Helene zog drei Kinder groß: Willi, Anni und Alfred. Annis erste Ehe mit Bruno war zunächst von Liebe und Sorglosigkeit geprägt. Doch dann wurde er eingezogen und mit ihm seine Schwager, zurück blieben die Frauen: Willis Frau Trude und Alfreds Frau Lotte mit den Kindern Horst und Peter.

Der Militarismus der Nazis zieht vor allem Horst an, seine Mutter und Tante Anni sagen dazu nicht viel, aber runzeln die Stirn. Vor allem möchten sie Frieden haben. Mit Horst können sie keinen Klartext reden. Gegen die Machthaber aufzubegehren, ist gefährlich.

Im neuen Deutschland, das in vier Besatzungszonen aufgeteilt wird, landet Perlitz in der sowjetisch besetzten Zone. Der Sozialismus löst den Faschismus ab, aber die Denkverbote bleiben. Konnten die Frauen zuvor nicht um ihre gefallenen Männer trauern, müssen ab sofort alle für das Kollektiv jubeln. Die Repressalien sind ähnlich. Auch das befördert das Schweigen.

Und noch eine Frau kommt zur Geschichte: Edith, mit ihrem Sohn Hugo. Sie sind Flüchtlinge, auch ihr Mann ist vermisst und sie warten in den Trümmern einer Stadt auf ihn. Edith erlebt die Trennung von Deutschland hautnah mit, denn ihre Schwester hat es in das Bayrische verschlagen, Jahrzehntelang sollen sie sich nicht mehr sehen.

Die Geschichte um Anni im Dorf Perlitz hat mich in ihren Bann gezogen. Die Emotionalität, die die geschichtlichen Ereignisse den Menschen überstülpen, hab ich direkt gespürt. Ich fand die Geschichte großartig und toll erzählt. Es ist eine Frauenperspektive, die Perspektive der Frauen vom Land. Anni hat es nicht leicht im Krieg, der Mann an der Front, kein Kind im Haus und eine Mutter, die vor Schrecken verstummt ist. Und auch mit ihrem zweiten Mann hat sie nicht das große Los gezogen, die Ehe ist geprägt von Unverständnis und auch Gewalt.


In einer früheren Version habe ich an dieser Stelle starke Kritik am meiner Meinung nach mangelhaften Lektorat des Verlags geübt, da ich fand, dass sich Fehler häuften und das einfach nur unfair dieser herausragenden Geschichte gegenüber war. Die Autorin hat mittlerweile mit mir Kontakt aufgenommen und erzählt, dass dieses Manko in der aktuellen Version des Buchs behoben ist.


Glücklicherweise ist die Geschichte so gut, dass man als Leser über die Fehler hinwegsehen kann.


Das Ende trieb mir die Tränen in die Augen und dennoch fühlte sich alles so stimmig an.



Lesen oder nicht?


Die Geschichte kann ich nur empfehlen. Sie berichtet von Anni, und Frauen wie ihr, und ihr Leben im zweiten Weltkrieg bis in die 80er Jahre im ostdeutschen Teil Deutschlands. Geschichte von "unten", Biographien, die von Geschichte geprägt werden. Und immer dieses Schweigen... Ein Punkt müsste ich eigentlich abziehen für die miese Lektoratsleistung des Verlags  ⭐⭐⭐⭐(⭐)


Weitere Meinungen


Martinas Buchwelten: "Selten habe ich eine so authentische Geschichte gelesen, die das tägliche Leben im Krieg abseits der Front aufzeigt und die Stärke dieser Frauen aufzeigt"



Bibliographische Daten


Titel: Irmas Enkel
Untertitel: Eine Geschichte, die von Heimat, Liebe und deren Verlust erzählt
Autor: Leandra Moor

Ausgabe: eBook
Seitenzahl (Print): 488
Verlag: Tredition
August 2019
ISBN-13: 978-3749723546
Affiliate-Link zu Amazon

Familien- und Gegenwartsroman nach biografischen Erlebnissen



Ich danke Autorin und Verlag für das Rezensionexemplar im Tausch für meine ehrliche Meinung.



#miteinanderstattgegeneinander.

Mit dieser Rezension nehme ich an Monerls Aktion Monatshighlight (Top und Flop) Linkparty teil.

2 Kommentare:

  1. Huhu!
    Ich lese das Buch gerade und bin im letzten Drittel. Ich habe deine rezension noch nicht gelesen, aber den ersten Satz und schon hier kann ich dir vollkommen zustimmen! Und ich kann auch jetzt schon sagen, dass es 5 Sterne geben wird, auch wenn mich die vielen Fehler ebenfalls sehr nerven!
    Liebe Grüße
    Martina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Martina,
      schade, dass der Verlag die fehlerhafte und nicht die korrigierte Version verschickt hat. Dass ein Autor mit der Geschichte die Fehler unerheblich macht, ist ebenfalls selten!
      LG
      Daniela

      Löschen

Ich freue mich über eure Kommentare und über den Austausch. Ich kommentiere hier oder auf eurem Blog, wenn ihr einen habt.

Wenn ihr hier kommentiert, seid ihr mit der Datenschutzerklärung einverstanden, beachtet also bitte die Hinweise dort.

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...